Stuttgart. Auch im zweiten Anlauf fand ein „Gesetzentwurf über das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum Baden-Württemberg“ der AfD keine Mehrheit im Landtag. Obwohl alle Parteien eine Vollverschleierung grundsätzlich ablehnen, geht ihnen das von der AfD-Fraktion eingebrachte Totalverbot von Burka und Niqab zu weit – und sie sehen es zudem nicht mit dem geltenden Recht vereinbar.
Im Innenausschuss und im Sozialausschuss des Landtags war der Gesetzentwurf der AfD bereits mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden, wie Manfred Lucha (Grüne), Minister für Soziales und Integration, berichtet. Die Landesregierung lehne zwar die Vollverschleierung ab, weil sie im Gegensatz zur Verfasstheit der offenen Gesellschaft stehe. „Bevor wir unser Grundgesetz wegen einer zweistelligen Zahl von Burkaträgerinnen in Baden-Württemberg aufweichen, verteidigen wir es aber besser“, so Lucha. „Gegen die, denen in Wahrheit nicht bloß die Burka, sondern unsere offene Gesellschaft ein Dorn im Auge ist. Die die Burka bloß zum Anlass dafür nehmen, die Vielfalt in unserer Gesellschaft schlechtzureden.“
Auch die FDP sieht den Antrag der AfD nicht mit dem geltenden Gesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht habe die Glaubensfreiheit zur unantastbaren Menschenwürde erklärt, so Nico Weinmann. Weil das Tragen einer Burka aber ein inakzeptables Geschlechterbild darstelle und gegen sämtliche Konventionen verstoße, verweist er auf den Gesetzentwurf, den die FDP eingebracht hat. Dieser sieht ein Verschleierungsverbot an Schulen und Hochschulen, bei Demonstrationen und für Beamte vor.
Einen Eingriff in die Religionsfreiheit sieht auch Sascha Binder (SPD) durch den Gesetzentwurf der AfD. Auch er lehne das Tragen einer Burka ab. „Es reicht aber nicht, dass das Ihnen oder mir oder dem Großteil der Gesellschaft nicht gefällt“, sagt er an die AfD gerichtet. „Man kann nicht alles verbieten, was man selbst ablehnt.“
Das allgemeine Verbot von Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum, das die AfD fordert, solle ein Signal an fundamentale Islamisten sein, so Christina Baum: „Ihr habt mit eurem frauenfeindlichen Gedankengut keine Chance in Deutschland.“ Dass es der AfD tatsächlich um die Frauen geht, bezweifelt Alexander Maier von den Grünen – sie wolle vielmehr Ängste schüren. Wenn sich die AfD so um Frauen sorge, solle sie lieber Maßnahmen wie Integrationskurse untterstützen, die Frauen helfen, sich aus patriarchalen Strukturen zu lösen. „Aber die sind für Sie ja Geldverschwendung“, sagt Maier und warnt vor einer Stigmatisierung durch ein allgemeines Verbot. „Niemand hat das Recht, Frauen zu befehlen, was sie morgens aus dem Kleiderschrank ziehen – weder ihr Ehemann noch das Parlament.“ Trotzdem sieht er Frauen durch die Burka ausgegrenzt.
Auch für Bernhard Lasotta von der CDU verhindert die Vollverschleierung Integration und durch die fehlende Mimik und Gestik auch Kommunikation. „Die Burka ist oft kein religiöses Symbol, sondern eine ultraorthodoxe Auslegung“, so Lasotta. Den Gesetzentwurf der AfD hält er aber auch nach dem Änderungsantrag für untauglich: „Die Werte des Grundgesetzes werden mit Füßen getreten“. Er setzt vielmehr auf situative Verbote von Bundesebene aus, etwa vor Gericht oder beim Autofahren. Der AfD geht das nicht weit genug: „Das gesellschaftliche Zusammenleben findet nicht nur vor Gericht und im Straßenverkehr statt“, bemängelt Baum, und fordert eine namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf. Mit 106 zu 21 Stimmen stellen sich die anderen Parteien dabei geschlossen gegen die AfD und ein allgemeines Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum.
Die Landesregierung verfolgt laut Minister Lucha dennoch die klare Linie, dass Burkaverbote anlassbezogen erlassen werden sollen, und unterstützte alle Initiativen, mit denen noch fehlende erforderliche Regelungen ergänzt würden. „Deshalb haben wir auch die Bundesratisinitiative unterstützt, in der die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, ein Verbot der Vollverschleierung vor Gericht zu prüfen.“