Scharfe Kritik an Erdoğan

22.03.2017 
Redaktion
 

Stuttgart. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) hat die Aktuelle Debatte zum 60.Geburtstag der EU genutzt, um scharfe Worte an die Adresse des türkischen Staatspräsidentin Recep Tayyip Erdoğan zu richten.  Europa habe Brücken gebaut und das Zusammenleben der Völker gestärkt.

Erdoğan wolle diese Brücken "auf das Infamste" einreißen, er wolle die Gesellschaft spalten und scheue sich nicht "vor unzulässigen, die Opfer verhöhnenden Nazivergleichen". Sie erwarte, so die Grüne mit türkischen Wurzeln, "von den Vertretern AKP-naher Institutionen eine öffentliche Distanzierung von den Nazivorwürfen". Und sie forderte "die Imame in den Moscheen auf, Besonnenheit walten zu lassen".

Auch die Redner von Grünen, CDU, SPD und FDP kritisierten den türkischen Staatspräsidenten. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz verlangte "eine neue Türkei-Strategie". Alle EU-Mitgliedsstaaten müssten "an einem Strang ziehen und gemeinsam klarstellen, dass die geplanten Änderungen der Verfassung das Aus für einen Beitritt bedeuten würde". Sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke erklärte, dass, "wer Gegner mit der Todesstrafe bedroht, keinen Platz in diesem Europa" habe und sich "weit außerhalb unserer Werteordnung" stelle. Der SPD-Abgeordnete Peter Hofelich sieht Europa "durch Erdoğan, Trump, Putin und Co zusammengeschweißt". Auf den ersten Blick sei Europa am 25. März, der 60. Wiederkehr der Gründung, nicht in Feierlaune. „Großbritannien tritt aus der EU aus“, so Hofelich, "Ungarn unterläuft die Gewaltenteilung, Polen brüskiert beleidigt den Europäischen Rat, und zu allem Überfluss erklimmen die Norweger, welche sich vom Club der 28 ferngehalten haben, im weltweiten Glücks-Ranking den ersten Platz". Der zweite Eindruck verändere das Bild aber: Europa erlebe „"in Comeback, der Kontinent der Schlachtfelder, der Kontinent der Nationalismen, der Kontinent der sozialen Gegensätze besinnt sich".

Ein völlig anderes Bild zeichnete AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen. Die EU sei ein kranker Patient, dem es schlecht gehe und der von seinen Krankheiten geheilt werden müsse.  Meuthen stellte die AfD in eine Reihe mit den EU-Gegnern: "Es sind nicht die Niederländer und ihr Wilders, die Österreicher und ihr Hofer, nicht die Franzosen und ihre Le Pen, nicht die Briten und ihr Farage, nicht die Ungarn und ihr Orbán, nicht die Polen und ihr Kaczynski und auch nicht wir, die AfD, die Europa an die Wand fahren".  Und er zitierte den "genialen Soziologen" Ralf Dahrendorf, der die Währungsunion als großen Irrtum bezeichnet habe. Rülke konterte mit dem Hinweis, Dahrendorf, der große Liberale, "würden sich, wüsste er, dass sich die AfD auf ihn beruft, im Grab herumdrehen".

Außerdem musste sich Meuthen die Aufzählung der EU-Gegner inklusive AfD vorhalten lassen. Es sei bemerkenswert, so Europaminister Guido Wolf (CDU), welch ein Bogen da geschlagen worden sei. Wer sich diesen Kräften zugehörig fühle, vor allem wer sich freiwillig neben Marine Le Pen stelle, die Europa ausdrücklich zerschlagen wolle, der "zeigt seit wahres antieuropäisches Gesicht"“. Es sei  überhaupt nicht die Frage, "ob wir ein Teil Europas sein wollen", sondern beantwortet werden müsse die Frage, wie dieses Europa aussehen solle, "damit es zur DNA  Baden-Württembergs gehört". Für die CDU-Fraktion, die die Aktuelle Debatte beantragt hatte, prognostizierte ihr Fraktionschef, der frühere Europaminister Wolfgang Reinhart, dass die EU "die Zweifel überstehen, die Zweifler überzeugen und seine Gegner überwinden" werde. Europa brauche allerdings "neue Orientierung, neue Leidenschaft, neuen Schwung und neue Impulse", und das gelinge am besten "von unten, aus den europäischen Regionen und den Kommunen heraus". Die Ministerbank war übrigens spärlich besetzt, die Regierungsspitze fehlte zur Gänze. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zog die Vereidigung des neuen Bundespräsidenten der Europadebatte im Landtag vor. Und sein Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) kam zwar in den Landtag, aber ohne den Debatten beizuwohnen.


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