Stuttgart. Mit dem Polizeieinsatz sei mehr als deutlich gemacht worden, dass es in Baden-Württemberg kein Staatsversagen und keine rechtsfreien Räume gibt, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Der Landtag befasste sich auf Antrag der FDP an diesem Mittwoch in einer Debatte mit dem Polizeieinsatz in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge in Ellwangen.
Nachdem ein erster Abholungsversuch eines Togolesen, der abgeschoben werden sollte, an massivem Widerstand von rund 150 Asylbewerbern in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Ellwangen scheiterte, war die Polizei einige Tage später mit über hundert Einsatzkräften nach Ellwangen zurückgekehrt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte diesen Einsatz am Dienstag als professionell verteidigt. Er stellte sich damit hinter den Innenminister. Vorwürfe des Staatsversagens wies Kretschmann als „ungeheuerlich“ zurück.
Strobl machte ebenfalls deutlich, dass der erfolgreiche Einsatz der Polizei recht gegeben habe. Dies sei auch vom UNHCR, vom Bundespräsidenten, vom Bundesinnenminister bestätigt worden. „Die Polizei hat mit der notwendigen Härte, aber orientiert am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit reagiert“, so Strobl. Das Polizeipräsidium (PP) Aalen habe direkt nach dem abgebrochenen Abschiebeversuch das weitere Vorgehen geplant. Dieses sei mit allen notwendigen Stellen, wie auch dem Regierungspräsidium Stuttgart und dem PP Einsatz, von dem Kräfte für den Einsatz angefordert wurden, abgestimmt worden. Strobl äußerte auch Verständnis für die Informationspolitik des Polizeipräsidiums. Dieses habe den Einsatz nicht gefährden wollen.
Bei dem Einsatz seien 292 Personen kontrolliert worden, es habe 24 Widerstandshandlungen und 26 Fluchtversuche gegeben. Elf Asylbewerber und sechs Polizisten seien leicht verletzt worden. Inzwischen seien 37 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, gegen sieben Personen seien Haftbefehle erlassen worden. Neun Personen seien in andere LEA verlegt worden, nennt Strobl Zahlen. „Die Polizei hat klug und besonnen gehandelt“, betonte der Innenminister. Das sahen auch Vertreter von Grünen, CDU und SPD so.
Die Ereignisse in Ellwangen in der vergangenen Woche „haben uns alle erschrocken“, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. „Gewalt gegen die Polizei berührt unser Rechtsempfinden zutiefst. Denn sie trifft diejenigen, die unseren Rechtsstaat schützen.“ Dazu gehöre auch, dass Verwaltung, Polizei und Gerichte an Recht und Gesetz gebunden sind. Und: „Zu unserem Staatswesen gehört ebenso unser Vertrauen darein, dass Recht und Gesetz durchgesetzt werden. Dieses Vertrauen ist nicht erschüttert worden“, sagte Schwarz. Die Polizeibeamten in Ellwangen „haben besonnen, klug und umsichtig reagiert“.
Auch CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte, dass der Rechtsstaat seine Regeln und Entscheidungen durchsetze. „Er wird sich von niemandem vorführen oder in die Flucht schlagen lassen.“ Die Polizei habe klug, besonnen und richtig gehandelt. In Ellwangen habe es kein Staatsversagen und auch keine rechtsfreien Räume gegeben, betonte Reinhart. Es sei verantwortungslos, mit solchen Begriffen zu zündeln.
„Dieser Rechtsstaat war immer handlungsfähig“, sagte auch SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. „Wir haben keine rechtsfreien Räume.“ Er wies darauf hin, dass man bei einer solchen Debatte auch darauf achten müsse, für wen man zum Stichwortgeber werde. Auch den Polizeieinsatz vom vergangenen Donnerstag bezeichnete er als gut geplant.
Der innenpolitische Sprecher der FDP, Ulrich Goll, hingegen kritisierte den Einsatz der Polizei selbst nicht, sprach jedoch von fragwürdigen Umständen auf der Leitungsebene, vom Polizeipräsidenten aufwärts. Auch seien die drei Tage, die zwischen dem abgebrochenen Abschiebeversuch und dem Polizeieinsatz lagen, kein Beweis von Handlungsfähigkeit. Er kritisierte vor allem auch die Informationspolitik. So sei der Eindruck entstanden, die Polizei habe sich beim gescheiterten Abschiebeversuch eine blutige Nase geholt und tue dann nichts mehr.
„Wenn die Polizei es zunächst nicht schafft, einen Asylbewerber abzuschieben, hat der Staat versagt und es gibt einen rechtsfreien Raum. Aber das heißt nicht, dass wir in diesem Land in einem permanenten Zustand von Staatsversagen leben“, hob FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nochmals hervor. „Wer in Zeiten des Populismus die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats in Frage stellt, handelt verantwortungslos“, konterte Andreas Schwarz.
AFD-Fraktionschef Bernd Gögel sprach vom Märchen eines starken Rechtsstaats. Er verwies darauf, dass im vergangenen Jahr 2005 Abschiebeversuche gescheitert seien, weil man die Betroffenen nicht angetroffen habe. Da werde dem Rechtsstaat auf der Nase rumgetanzt. Zugleich kritisierte er den langen Rechtsweg und verwies darauf, dass auch der Togolese erneut gegen seine Abschiebung klage.