Stuttgart. Einstimmig hat der Landtag am Donnerstag das Gesetz zur Ausführung des Pflegeberufsgesetzes in zweiter Lesung angenommen. Die Landesregierung war tätig geworden, nachdem der Bund die gesamte Ausbildung in der Pflege reformiert hat. Vom 1. Januar 2020 an werde es keine spezielle Ausbildung mehr für Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege mehr geben, sondern die sogenannte generalistische Ausbildung“, erklärte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) die Notwendigkeit für die Initiative. Die Differenzierung in die drei Bereiche sei nicht mehr zeitgemäß und entspreche auch nicht mehr den Entwicklungen, den Lebensläufen und den Lebenswirklichkeiten. Stattdessen werden Pflegekräfte nun in einem einheitlichen Berufsbild ausgebildet. Zugleich können die Länder Spielräume zur Ausgestaltung nutzen.
In Baden-Württemberg seien etwa 400000 Menschen auf Pflege angewiesen, berichtete Lucha. „Es werden mehr. Wir werden mehr“, fügte der Minister an. Auch würden heute schon qualifizierte Pflegefachkräfte fehlen. „Wir brauchen mehr Personal, gut qualifiziertes und gut bezahltes Personal. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, damit die Pflegekräfte nicht von einem ins andere Zimmer hetzen und am Ende des Tages völlig ausgebrannt nach Hause gehen“, konstatierte er. Nötig seien auch gute Aufstiegsmöglichkeiten, um den Pflegeberuf im Gesamten attraktiver zu machen; Karriere müsse am Bett und an Patienten möglich sein und nicht nur in der Leitung im Dienstzimmer.
Der Vorteil der Pflegeberufereform liege darin, dass „wir das gesamte Spektrum pflegerischer, medizinischer, sozialräumlicher und sozialer Belange der Menschen im Einsatzgebiet der Pflegefachkräfte in der Breite begreifen“. Die Sektoren zwischen Ambulanz, Stationär, Rehabilitation, Pflege und Behandlung würden überschritten, Pflege müsse gleichberechtigt mitgehen. Persönlich fügte Lucha an: Er habe 1985 als Erster seine Ausbildung nach dem neuen Pflegeberufegesetz begonnen und könne nun als Minister das neue Pflegeberufegesetz einbringen.
Petra Krebs (Grüne) begrüßte die Reform zur generalistischen Pflegeausbildung. Eine alternde Gesellschaft, Multimorbidität, die Digitalisierung, der medizinische Fortschritt und immer komplexer werdende Behandlungs- und Therapieverfahren bedürften in der Gesundheitsversorgung neuer Rahmenbedingungen – dies gelte auch für die Pflege. Die großen Themenfelder bei der Umsetzung seien die Vereinheitlichung der bisher unterschiedlichen Finanzierungen, Gründung einer Schiedsstelle, diverse Verordnungsermächtigungen und Verstetigung der Studienplätze für die Pflege. Pflege habe auch einen „enormen medizinischen Stellenwert“. Dies werde unterstrichen durch eine qualitative Steigerung der Ausbildung, eine Verstetigung des Pflegestudiums und eine qualitative Weiterentwicklung des Berufsbildes. Der Pflegeberuf werde immens aufgewertet, die Regelungen würden das berufliche Selbstbewusstsein der Pflegefachkräfte stärken, sagte die Krankenschwester Krebs.
Für Sabine Hartmann-Müller (CDU) bringt das neue Gesetz „ein tragfähiges Fundament“, um die Pflege in Baden-Württemberg zukunftsweisend zum Wohle der Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen und der Pflegekräfte zu gestalten. Bis 2030 nehme die Zahl der Pflegebedürftigen um gut 25 Prozent, also 100000, zu. Stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste müssten entsprechend wachsen. Gerade der Pflegeberuf bedeute physische und psychische Schwerstarbeit und könne nur von Menschen ausgeübt werden, die diese Arbeit mit Herzblut, Leidenschaft und einer guten Ausbildung tun. „Der Pflegeberuf erfahre insgesamt eine deutliche Aufwertung“, sagte Hartmann-Müller. Jeder, der sich für den Pflegeberuf entscheide, erhalte zwei Jahre lang die gleiche Grundausbildung. Danach habe er die Wahl – entweder für ein weiteres generelles Jahr, um dann als Pflegefachfrau oder -mann tätig zu werden, oder für eine Spezialausbildung, um dann in der Altenpflege, Gesundheits- oder Kinderpflege tätig zu sein.
Christine Baum (AfD) sagte, Zeit sei gerade in den Pflegeberufen Mangelware, auch wegen „völlig überzogener Dokumentationspflichten“. Ob sich durch die Reform etwas ändere, „dessen sind wir uns nicht sicher“. Noch sei die Reform nicht der große Paukenschlag gegen Pflegenotstand und Pflegefrust. Die AfD erhoffe sich vor allem in der Entlohnung der Pflegenden „einen spür baren Anstieg“.
Sabine Wölfle (SPD) sieht als Ziele der Reform, den Pflegeberuf zukunftsgerecht weiterzuentwickeln und ein modernes, gestuftes und durchlässiges Pflegebildungssystem zu schaffen. Die Landesregierung müsse die Bildung von Ausbildungsverbünden unterstützen und für die Finanzierung zusätzlich anfallender Kosten für Pflegeschulen regeln, die nicht an Krankenhäuser angebunden sind.
Jochen Haußmann (FDP) hält auch einjährige Ausbildungen für notwendig, damit sich Berufsanfänger weiterqualifizieren können. Man brauche die Durchlässigkeit für Pflegeassistenten und die Möglichkeit der Anrechnung der Berufsjahre. In den kommenden Jahren brauche das Land 40000 zusätzliche Pflegekräfte, insbesondere der ländliche Raum müsse als Arbeitsort lukrativ bleiben.