Stuttgart. Die Landesregierung will den Einzelhandel und die Dienstleister außerhalb klassischer Einkaufszentren stärken. Finanz- und Wirtschafts-Staatssekretär Ingo Rust (SPD) brachte am Mittwoch den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative (GQP) in den Landtag ein.
Durch diese landesgesetzliche Grundlage sollen Kommunen künftig die Möglichkeit haben, durch Satzung einen Aufwertungsbereich auf der Grundlage eines schlüssigen maximal fünfjährigen Maßnahmen- und Finanzierungskonzepts nach öffentlicher Anhörung und eigener Entscheidung im Gemeinderat festzulegen. Mindestens 15 Prozent der Eigentümer von Grundstücken, die im angestrebten Aufwertungsgebiet liegen, müssen dies unterstützen. Sollten mehr als ein Drittel der Abgabenpflichtigen dieses Gebiets Einwendungen gegen den eigentümergetragenen Aufwertungsbereich haben, muss die Gemeinde den Antrag ablehnen.
Staatssekretär Rust wies auf die Wettbewerbsnachteile von zahlreichen Geschäftsbereichen in Mittel- und Oberzentren gegenüber Ansiedelungen auf der grünen Wiese und zunehmend auch gegenüber professionell geführten Einkaufszentren in unmittelbarer Nachbarschaft hin. Erneuerungsbedarf, Leerstand sowie sinkende Bereitschaft zum Wohnen von Grundstückseigentümern im Umfeld ihrer Liegenschaft würden diese Standorte kennzeichnen und für weniger Attraktivität sorgen. Bestehende freiwillige Initiativen zum Stadtmarketing oder Werbegemeinschaften würden meistens am „Trittbrettfahrerverhalten“ scheitern, weil auch jene von Maßnahmen profitieren, die sich nicht an der Finanzierung beteiligen.
Rust sagte, es gehe um die Rechtsgrundlage und ein „dringendes Instrument“ für Kommunen, die solche Quartiere, Innenstadt-Bereiche oder Stadtteilzentren umsetzen wollen. Vorbild dafür sind die Business Improvement Districts (BIDs) in den USA sowie entsprechende Bestimmungen in anderen Bundesländern, wie etwa Hamburg. Attraktivere Innenstadtquartiere würden die Wettbewerbsfähigkeit vor allem der kleinen und mittleren Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe steigern.
Sprecher der Opposition sehen dies etwas anders. Man erweise damit dem Einzelhandel einen Bärendienst, urteilte Reinhard Löffler (CDU). Nicht die großen Zentren würden zu Einbußen im innerstädtischen Einzelhandel führen, sondern beispielsweise Demonstrationen wie die gegen Stuttgart 21 in der Landeshauptstadt. Auch der online-Handel sei eine „Brandbeschleuniger“. Löffler verspricht sich vom Gesetz „keine nachhaltige Wirkung“, obwohl er zugleich einräumte, dass die meisten Innenstädte im Land „gleich langweilig“ sind.
In seiner ersten Rede bezeichnete Parlaments-Neuling Niko Reith (FDP) den Gesetzentwurf als „unausgegoren“, wobei der Liberale vor allem daran Anstoß nahm, dass „eine Minderheit“ von 15 Prozent eine solche Entscheidung herbeiführen könne und dagegen ein Drittel für einen Einspruch nötig sei. Die FDP vertraue auch bei diesem Thema auf die „private Kraft“ und weniger auf Gesetze. Die heimatlichen Quartiere bedürften „dringend“ einer Aufwertung, ob es dazu Zwang brauche, sei jedoch fraglich.
Positiv reagierten die Abgeordneten der Regierungskoalition auf die Vorlage. Es handele sich um ein „Gesetz des Ermöglichens“, erklärte Andrea Lindlohr (Grüne). Kommunen und Bürger könnten ihre guten Ideen nun einbringen und verwirklichen. Durch das Gesetz könnten sich die innerstädtischen Quartiere nun gegen die Konkurrenz „selbst wehren“.
Als „Werkzeug für moderne Einkaufserlebniszentren“ sieht Klaus Maier (SPD) das Gesetz. Es werde niemand zur Stadtentwicklung oder zum Mitmachen gezwungen. „Alles ist eine freiwillige Sache“, sagte er. Maier verwies auf die „breite Unterstützung“ in der Anhörung. Von 24 beteiligten Verbänden und Organisationen hatten 14 geantwortet, 12 nahmen zum Gesetzentwurf Stellung. Sechs Verbände begrüßten den Entwurf, zwei sahen in ihm große Chancen, die Attraktivität von Innenstädten zu verbessern. Eine „kritisch neutrale Stellung“ nahmen drei Verbände ein. Die Arbeitsgemeinschaft Haus & Grund lehnt den Entwurf nachdrücklich ab. Der Städtetag begrüßte den Entwurf als Beitrag zur Stadtentwicklung. Gemeinde- und Landkreistag äußerten sich nicht.