Stuttgart. Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat Äußerungen von Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann widersprochen, beim Landesamt für Verfassungsschutz seien personelle Einsparungen in Höhe von 30 bis 50 Prozent der Stellen möglich. „Dies ist nicht leistbar“, sagte Gall am Mittwoch in der von der CDU-Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Überraschendes Umschwenken des Innenministers bei der Zentralisierung des Verfassungsschutzes“ im Landtag. Baden-Württemberg brauche ein „demokratisches Frühwarnsystem“ und die Sicherheit im Land „ist unser aller Ansinnen“, erklärte Gall.
Aus Sicht des Innenministers ist es „völlig normal“, wenn über die Aufgaben und die Ausrichtung der Verfassungsschutz-Behörden diskutiert wird. Handlungsbedarf dafür sei vorhanden, aber das Thema werde „mit hoher Sorgfalt ergebnisoffen diskutiert“. Es sei eine politische Frage, „wie früh und wie tief“ künftig vom Verfassungsschutz hingeschaut werden soll.
Er sprach sich dafür aus, wie bei der Polizeireform die bestehenden Strukturen zu prüfen; gleichzeitig wies Gall darauf hin, dass dem Staatsschutz schon durch die Polizeireform ein „neuer Stellenwert“ gegeben worden sei. Er kündigte an, dass in den kommenden Monaten Maßnahmen zur Bekämpfung Rechtsextremer erarbeitet werden. Den von der Opposition erhobenen Vorwurf eines Sinneswandels wies der Minister zurück: „Ich habe meine Meinung nicht geändert.“ Er stehe weiter zur föderalen Struktur beim Verfassungsschutz, das Land werde sich von Aufgaben „nicht ausklinken“.
Gall hatte im vergangenen Jahr erwogen, Kompetenzen des Landesamtes für Verfassungsschutz im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus an den Bund abzugeben. Davon distanzierte sich der Minister jedoch inzwischen. Statt dessen warnt er vor tiefen Einschnitten bei der Behörde mit 340 Mitarbeitern, wie sie dem Koalitionspartner vorschweben. Edith Sitzmann war im vergangenen Jahr auf die Linie der Bundes-Grünen eingeschwenkt, Kompetenz an den Verfassungsschutz des Bundes abzugeben und von „30 bis 50 Prozent Stelleneinsparungen“ in Baden-Württemberg gesprochen.
Diesen Kurs thematisierte die CDU-Fraktion mit ihrer Landtagsanfrage. Die Grünen hätten damit Schaden verursacht, kritisierte Karl Zimmermann (CDU). Im Landesamt für Verfassungsschutz hätten schon manche Bedienstete „innerlich gekündigt“. Er lehnte ein von den Bundes-Grünen ins Gespräch gebrachte unabhängiges Institut für Demokratieförderung“ rigoros ab. Wenn es um die Sicherheit und Ordnung von Baden-Württemberg gehe, gehöre der Verfassungsschutz dazu, urteilte Zimmermann.
Auch Ulrich Goll (FDP) sieht in einem funktionierenden Verfassungsschutz des Landes ein wirksames Instrument, „um alle Arten des Extremismus zu verhindern“. Deshalb vermisst der frühere Justizminister von der Landesregierung ein Bekenntnis zu „einer starken Behörde in Baden-Württemberg“. Der Verfassungsschutz dürfe „nicht nach Kassenlage“ ausgestattet werden.
Sprecher der grün-roten Koalition wiesen die Vorwürfe zurück. „Keiner hat die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert“, konstatierte Hans-Ulrich Sckerl (Grüne). Gleichwohl habe jedes Ministerium die Aufgabenkritik zu erledigen. Auch der Verfassungsschutz sei vom Sparkurs nicht ausgeschlossen. Zudem müsse die Behörde neu aufgestellt werden. „Baden-Württemberg ist keine Insel der Glückseligen. Auch wir haben Änderungsbedarf“, sagte Sckerl. Seine Kollegin Sitzmann habe „nichts anderes“ gefordert. An der Kernaufgabe des Verfassungsschutzes wolle niemand etwas ändern. Die Abgabe von Aufgaben an den Bund müsse aber besprochen werden. „Wir haben jedoch Bedenken gegen die Abgabe zentraler Aufgaben. Gleichzeitig forderte er mehr Offenheit statt der Fortsetzung der „Schlapphut-Mentalität“ - Terminologie, die Innenminister Gall nach seiner Aussage „noch nie geteilt“ hat.
Der Grüne erinnerte auch daran, dass sich die Terrorzelle NSU „jahrelang im Land herumgetrieben hat und der Verfassungsschutz konnte dies nicht unterbinden.“ Deshalb müsse man sich der Verzahnung stellen und die Verfassungsschutz-Behörden modern aufstellen.
Florian Wahl (SPD) sieht Bedarf für einen Umbau des Verfassungsschutzes „an einigen Stellen“. Es sei nicht alles gut gelaufen. Für ihn steht die Sicherheit der Bürger klar im Vordergrund. Er forderte, durch die Diskussionen um Zentralisationspläne „keine falschen Zweifel“ zu säen.