Stuttgart. Zu einem heftigen Schlagabtausch über Stellung, Qualität und Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kam es am Mittwoch im Landtag bei der Einbringung des AfD-Gesetzentwurfs „gegen die Zwangsfinanzierung öffentlich-rechtlicher Medien durch freie Bürger“. Darin wird unter anderem verlangt, dass „jeder Einwohner Baden-Württembergs frei entscheiden können muss, ob er die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nutzt und finanziert“.
Das Gesetz wolle der „Entmündigung“ entgegentreten, „sodass der Bürger im Sinne der Informationsfreiheit wieder selbst entscheiden kann, ob er die Verbreitung der von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gesendeten Inhalte mit seinem Geld unterstützen möchte“. Stefan Räpple (AfD) begründete den Vorstoß mit seinem „Rechtsverständnis und dem meiner Fraktion“. Dem widerspreche, dass 16 Ministerpräsidenten „einen Vertrag abgeschlossen haben, durch den fast zwölf Millionen Baden-Württemberger Geld bezahlen müssen“.
Die Redner von der anderen vier Fraktion versuchten, die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Sender und ihre Möglichkeiten zu vermitteln. Zugleich mochte Alexander Salomon (Grüne) „auf geplante Provokationen gar nicht eingehen“. Und er warf Räpple vor, nicht einmal selber an das von ihm selber zur Abschaffung der Gebühren angestoßene Volksbegehren zu glauben: „Sie wissen ganz genau, dass die Baden-Württemberginnen und Baden-Württemberger schlauer als Sie sind.“ Die Bevölkerung wisse „nämlich ganz genau, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu unserer Gesellschaft und zu unserer demokratischen Grundordnung dazugehört“. Deshalb sei jetzt der Gesetzentwurf eingebracht worden, der allerdings auch keine Chance habe.
Sascha Binder (SPD) kritisierte, dass nicht nur der Gesetzentwurf falsch sei, sondern dass „er von Herrn Räpple auch noch juristisch falsch begründet wurde“. Denn würde er juristische Grundkenntnisse verfügen, „dann würden Sie wissen, dass es kein kritisierte Staatsvertrag zulasten Dritter ist, sondern dass es ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht ist, diese Beiträge einzuziehen“.
Es gehe der AfD gar nicht „nicht um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, erläuterte Raimund Haser (CDU), „es geht um die Selbstinszenierung von Herrn Räpple“. Eine freiheitliche Gesellschaft brauche erstklassige Medienangebote, erläuterte auch der frühere Justizminister Ulrich Goll (FDP). Das duale System, das in der Bundesrepublik und in Baden-Württemberg, entstanden sei, erfülle diese Anforderungen: „Wir brauchen beide, wir brauchen die öffentlich-rechtlichen Anbieter, wir brauchen die privaten Anbieter, wir brauchen sie in einer fruchtbaren Konkurrenz zueinander.“ Die AfD verstehe das System nicht.
Zu einem Eklat kam, als Räpple entwickelte, „wie es wäre, wenn die AfD ein Mitglied als Chef des SWR einsetzen würde". So wie es die CDU getan habe und jetzt sitze der Intendant „abends bei der CDU am Tisch und berät über das Programm des nächsten Tages“. Viele Abgeordnete reagierten mit Zwischenrufen. „Das möchten Sie nicht haben – verständlicherweise“, so der Kehler AfD-Abgeordnete weiter, „und das wollen wir nämlich auch nicht haben, weil sich die Politik aus dem Rundfunk heraushalten soll und die Medien sollen frei und unabhängig sein.“ Es dürfe kein Staatsfernsehen geben, „bei dem die Regierung bestimmt, was die Menschen am nächsten Tag zu sehen haben“.
Haser ging noch einmal an Mikrophon und wies zurück „was Herr Räpple gesagt hat, nämlich, dass die Mitgliedschaft von Herrn Boudgoust, der tatsächlich CDU-Mitglied und Intendant des SWR ist, irgendetwas mit politischer Einflussnahme zu tun hat“. Und weiter: „Herr Räpple, der Rundfunkrat hat 74 Mitglieder, davon sind nach unseren Gesetzmäßigkeiten acht Parlamentarier.“ Er weise es zurück, „dass in irgendeiner Art und Weise egal von welcher Partei jemals auf einen Sender inhaltlich Druck ausgeübt wurde“.
Noch lauter wurde es im Plenarsaal als Heinrich Fiechtner, der fraktionslose frühere AfD-Abgeordnete, die öffentlich-rechtlichen Sender „verrottet bis ins Mark“ nannte und Wolfgang Gedeon (AfD, fraktionslos) von einer „Agitationszentrale“ sprach; diese müsse „ausgeräuchert werden“. Binder verlangte von Gedeon und Fiechtner sich zu entschuldigen, was diese aber ablehnten.
Für die Landesregierung erläuterte die Ministerin im Staatsministerium Theresa Schopper (Grüne), wie der „öffentlich-rechtliche Rundfunk durch seine Angebote zum erheblichen Anteil auch zum insgesamt hohen Informationsniveau in Deutschland beiträgt und die Voraussetzungen unserer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft fördert“. Schon allein deshalb sei der Gesetzentwurf abzulehnen, denn „wir brauchen die Vielfalt, gute Unterhaltung, Kultur, Bildung, verlässliche Informationen“.