STUTTGART. Das Land Baden-Württemberg hat nach den Worten von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) bisher 2,3 Milliarden Euro an Corona-Soforthilfen und aus dem Hilfsprogramm ausbezahlt. „Wir lassen die Menschen und die Unternehmen nicht im Stich“, sagte Lucha in einer von der AfD beantragten aktuellen Landtagsdebatte über Staatshilfen und Entschädigungen.
Deren Fraktionschef Bernd Gögel begründete die Themenwahl damit, dass in weiten Teilen der Bevölkerung genau darüber diskutiert werde. Und der Abgeordnete aus dem Enzkreis warf der Landesregierung abermals vor, erst nach 78 Tagen nach einer ersten E-Mail an das Robert-Koch-Institut zu Corona und damit zu spät reagiert, dann aber drastische Einschnitte in die Grundrechte verhängt zu haben.
„Der Gipfel der Dreistigkeit ist, dass die Schäden nicht in voller Höhe ersetzt werden sollen und Sie über ihre Medienpropagandamaschinerie den Bürger Tag und Nacht eingeredet haben, wie gut Ihre Politik ist“, so Gögel weiter. Auf Basis des bereits vor einigen Tagen präsentierten Gutachtens zum Thema Entschädigung verlangte der AfD-Fraktionschef für Betroffene, etwa Arbeitnehmer, Selbständige oder Freiberufler, weitreichende Entschädigungen.
Zur Sicherstellung der Finanzierung wiederholte der Abgeordnete aus dem Enzkreis die Forderung seiner Fraktion nach einer Haushaltssperre. Lucha verwies dagegen auf die Rechtslage und aktuelle Urteile, die keine Entschädigungen in der von der AfD unterstellten Weise vorsehe. „Wir werden aber weiterhin mit der Landesregierung und dem konstruktiven Teil des Parlaments unsere Wirtschaft unterstützen“, so der Minister, der die AfD-Abgeordneten direkt ansprach: „Die chauvinistischen Autokraten, mit denen sie sympathisieren, zum Beispiel in Brasilien, ist das Leben der Menschen dagegen völlig wurscht.“
Mehr aus dem Landtag vom 15. Juli 2020
Jürgen Filius (Grüne) berief sich auf die "gängige Meinung" wonach Entschädigungen für einen entgangenen Gewinn nicht zu zahlen sind. Er verwies auch auf ein aktuelles Urteil des Landgerichts Heilbronn, das in einem Eilverfahren genauso entschieden habe. Die AfD versuche, Angst zu verbreiten mit dem Hinweis auf die finanziellen Auswirkungen, die die Zahlungen mit sich brächte. Der Ulmer Abgeordnete, der bei der nächsten Landtagswahl im März 2021 nicht mehr antritt, warf der AfD „blanken Populismus“ vor: „Sie haben keinem Kompass.“. Die AfD versuche, die Gesellschaft zu spalten, denn der Vorwurf, der Staat lasse seine Bürger im Stich, sei angesichts der Milliardenhilfen und -zuschüsse von Bund und Land nicht aufrechtzuerhalten.
Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Stefan Teufel warf der AfD vor, Positionen zu beziehen und dann wieder zu räumen. Es gehe ihr nur darum, die Bevölkerung zu verunsichern und das erfolgreiche Krisenmanagement in Bund und Land zu diskreditieren: „Das ist keine verantwortliche Politik.“ Die Corona-Pandemie sei „eine Naturkatastrophe in Zeitlupe“ und keine Selbstverständlichkeit, wie die Bevölkerung die Maßnahmen mittrage.
Weiterhin müsse konsequent gehandelt werden, denn die bisher erzielten Erfolge seien fragil. Zugleich müsse der wirtschaftliche Schaden gering gehalten werden. „Von Anfang ist unsere Wirtschaft mit allen Kräften unterstützt worden“, so Teufel, der Sprecher für Sozialpolitik seine Fraktion ist. Eine Entschädigung nach Rechtslage gebe es allerdings nicht. Auch er sprach von reinem Populismus.
„Dieses Land, Gesellschaft und Staat, steuert klug und abwägend durch die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“, erklärte Boris Weirauch (SPD). Bereits im März sei auf Basis eines gemeinsamen Antrags von Grünen, CDU, SPD und FDP im Landtag notwendige Hilfen und Unterstützungen auf den Weg gebracht worden. Der Staat sei auch weiterhin in der Lage, Hilfen auszuzahlen, „wo und wann immer es notwendig ist“.
In Ländern, die von „Brüdern im Geiste der AfD“ regiert würden, zeige sich eine ganz andere Entwicklung. Die AfD suggeriere, man sorge sich um die finanzielle Situation der Menschen, habe aber tatsächlich eine "Corona-Geisterfahrt“ hingelegt. Alle könnten gottfroh sein, dass diese Partei „meilenwert davon entfernt ist, Verantwortung in diesem Land zu übernehmen“. Weirauch kritisierte zudem die Forderung nach einer Haushaltssperre, denn auf diese Weise würde der Haushalt komplett eingefroren und Hilfen oder Unterstützungen könnten gar nicht mehr ausbezahlt werden. Es gelte deshalb einmal mehr, die AfD sei "nie Teil der Lösung, sondern immer Teil des Problems“.
Jochen Haußmann (FDP) erinnerte an die erste Corona-Debatte Anfang Februar im Landtag, in der die AfD-Abgeordnete Christina Baum selber von einer „ernsten gesundheitlichen Bedrohung“ gesprochen habe. Außerdem gehe die Debatte der AfD „am wirklichen Problem vorbei, denn Fragen der Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz gehören auf die Ebene des Bundes“.
Zugleich verlangt Haußmann von der Landesregierung, "die Lehren aus der Corona Krise zu ziehen und engagiert zu handeln“. Die Wirtschaft, die Veranstaltungsbranche, aber auch Kultur, Schulen und Vereine bräuchten dringend Öffnungsperspektiven. Der Pandemieplan sei fortzuschreiben „und es braucht eine Bevorratungsstrategie mit Schutzausstattungen, falls eine zweite Welle kommt. Dann helfen nur wirkliche Medizinprodukte, um nicht wieder einen Lockdown zu riskieren“