Stuttgart. Die Opposition beklagt zu viel fachfremd erteilten Unterricht an den Schulen des Landes. Außerdem ist FDP und CDU der vom Kultusministerium für die Klassen 5 und 6 an den Gymnasien neu eingeführte Fächerverbund „Biologie, Naturphänome, Technik“ ein Dorn im Auge. Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern gründete seine Sorgen um fachlich fundierten Unterricht auf den IQB-Ländervergleich 2012, woraus sich für Baden-Württemberg hohe Anteile von Lehrern ohne Lehrbefähigung in Biologie (23,7 Prozent), Chemie (21,6), Physik (28,6) und Mathematik (8,6) ergeben.
Zwar habe die Landesregierung im Rahmen der Bildungsplanreform einige Fächerverbünde aufgelöst, aber ausgerechnet bei Mathematik und Naturwissenschaften nicht. Bei den Naturwissenschaften sei der Verbund Naturphänome und Technik geschaffen worden. Und an den Gymnasien werde Biologie mit den Naturphänomenen „zusammengepfercht“, in dem „propädeutisch auf Chemie und Physik vorbereitet“ werde, kritisierte Kern und hält diese Zwangsfusion für „brandgefährlich“. Der Liberale vermutet dahinter einen „Vereinheitlichungssog, der vom Einheitsbildungsplan ausgeht“. Dies sei ein Verlust an Fachlichkeit. Kern verwundert es deshalb nicht, dass 58 Prozent der Baden-Württemberg nach einer neuen Umfrage mit der Bildungspolitik von Grün-Rot „sehr unzufrieden“ seien.
Bei allen Reformen stehe die „Sicherung der Qualität“ an erster Stelle, versicherte dagegen Kultusminister Andreas Stoch (SPD). In den neuen Bildungsplänen, an denen auch Vertreter der Opposition beteiligt wurden, würden Inhalte präziser gefasst, wodurch die Lehrer unterstützt würden. Er habe den „Wildwuchs“ der Fächerverbünde beseitigt und „das Unwesen“ aufgehoben. An Realschulen und Werkrealschulen seien Naturwissenschaften positiv bewertet worden, deshalb sei dieser Verbund auch an Gymnasien „zu schaffen“. Zudem genieße Biologie mit vier Wochenstunden Priorität. In den Fachwissenschaften sei große Akzeptanz zu spüren, berichtete Stoch.
Die hohe Zahl an fachfremden Unterricht in der 2012 erhobenen Studie führt der Kultusminister auf das dreigliedrige Schulsystem der Vorgänger-Regierung zurück. Er reagierte damit auf die Kritik von Sabine Kurtz (CDU), die auf bis zu 20 Prozent erteilten Unterricht durch Lehrer ohne fachliche Lehrbefähigung hingewiesen hatte. Grün-Rot gehe es beim neuen Bildungsplan um die Erhöhung der Durchlässigkeit. Außerdem sei „die Biologie der Ideologie im Weg“, haderte Kurtz. Die Reform sei ein Beispiel dafür, wie „fahrlässig an unseren Schulen vorgegangen wird“. Grün-Rot habe die völlig überzogene Akademisierung im Kopf und wolle künftig 50 Prozent Abiturienten. „Schmalspurbildung“ komme jedoch an den Hochschule nicht gut an.
Die Sprecher der Regierungsfraktionen wiesen die Kritik zurück. Grün-Rot stärke Deutsch und Mathematik an den Grundschulen, sagte Siegfried Lehmann (Grüne). Der Fachunterricht an den vierten Klassen in Grundschulen würde mit der Bildungsplanreform umgesetzt. Die Bildungspolitik der Landesregierung ermögliche Durchlässigkeit, betonte Stefan Fulst-Blei (SPD). Bei der CDU habe es nur eine Durchlässigkeit an Schulen gegeben: „Nach unten!“ Das Ministerium habe sehr positive Rückmeldungen aus 17 Schulen erhalten, an denen die neuen Pläne erprobt werden.