Stuttgart. Die Klimaveränderung erhöht künftig das betriebliche Risiko der Waldeigentümer. „Deswegen müssen wir klimastabile Wälder aufbauen. Das ist die zentrale Herausforderung für alle Waldbesitzer“, sagte Agrar-Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) am Donnerstag in der Aussprache des Landtags über die Große Anfrage der FDP-Fraktion zur Forst- und Holzwirtschaft in Baden-Württemberg. Produktivität, Biodiversität, Waldgesundheit und -vitalität sowie auch -stabilität seien erheblich durch den Klimawandel gefährdet.
Der aktuelle Waldzustandsbericht zeige, dass 38 Prozent der Wälder deutliche Schäden aufweisen, wobei in erster Linie die Hauptbaumart Fichte, die auf 100 000 Hektar Fläche steht, betroffen ist. Als Alternativen bieten sich aus Sicht von Gurr-Hirsch neben Weißtanne und Douglasie auch vergessene Bäume wie die Traubeneiche, die Hainbuche und die Vogelkirsche an. Auch die Borkenkäferschäden seien gewaltig; sie summierten sich bis Ende Oktober im Nadelholz auf 1,2 Millionen Festmeter. „Die Borkenkäferüberwachung und -bekämpfung wird deshalb im Fokus unserer Arbeit in den nächsten Jahren stehen“, sagte die Staatssekretärin.
Zukünftig werde das Land den Staatswald durch eine Anstalt des öffentlichen Rechts bewirtschaften. Diese müsse auch Innovationsmotor und Maßstab für die Waldbewirtschaftung insgesamt im Kommunal- und im Privatwald sein. Die Landesforstverwaltung werde alle Waldbesitzer weiterhin beraten, hoheitlich verwalten und die Körperschaften der Waldbesitzer forstlich betreuen, sofern dieses es wünschen, erklärte Gurr-Hirsch. Das Land wolle außerdem den Holzbau forcieren, dessen Quote derzeit bei 30 Prozent liege. Bauen und die energetische Gebäudesanierung mit Holz seien aktive Beiträge zu einer langfristigen Speicherung von CO2 und für den Südwesten mit einem Holzvorrat von 500 Millionen Festmetern „besonders geeignet“.
Zuvor hatte Klaus Hoher (FDP) gefordert, die Politik der Stilllegung müsse gestoppt werden. Statt immer mehr Flächen, vor allem im Staatswald, unter Prozessschutz zu stellen und aus der Nutzung zu nehmen, solle auf produktionsintegrierten Naturschutz gesetzt werden, beispielsweise mit freiwilligem Alt- und Totholz. Mit Blick auf den Klimawandel forderte der Liberale eine „Nadelholzstrategie 2100“; Laubholz allein werde den Bedarf künftiger Generationen nicht decken, urteilte er. Hofer forderte ein verbessertes Management „für Kalamitäten und Witterungsschäden“ sowie ein landesweites Raster für Nasslager und eine Auflastung der Holztransporte von 40 auf 44 Tonnen.
Das Ökosystem Wald, das 40 Prozent der Landesfläche bedecke, sei eine „gigantische Chance“, speichere es doch allein in der oberirdischen Biomasse 517 Millionen Tonnen CO2, viermal so viel, wie die Menschen im Südwesten verbrauchen, erklärte Reinhold Pix (Grüne). Deshalb müsse mehr als bisher auf klimawandelbedingte Schäden im Wald reagiert werden. „Der Waldumbau muss noch konsequenter betrieben werden.“ Nur mit klimastabilen Wäldern lasse sich langfristig eine ökologisch und ökonomisch tragfähige Waldwirtschaft betreiben, sagte Pix. 2017 betrug der Umsatzerlös aus Holzverkauf beim Staatswald 132 Millionen Euro, ein Durchschnittswert der vergangenen 18 Jahre. Er sieht in der Holzbau-Offensive einen weiteren Schritt, Baden-Württemberg als Holzbauland Nr. 1 in Deutschland zu festigen.
Auch Patrick Rapp (CDU) hob die positiven Werte des Waldes hervor. Neben den Mooren und Meeren sei er der größte CO2-Speicher dieses Planeten. Der Wald mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz habe nicht nur wirtschaftliche und ökologische Bedeutung, sondern sei zugleich auch Erholungsraum und Garant für Arbeitsplätze im ländlichen Raum. 170 000 Menschen sind im Südwesten in der Forst- und Holzwirtschaft beschäftigt. Die Forstwirtschaft sei auf weltweit höchstem Niveau, lobte Rapp. Der CDU gehe es um die Zukunftsfähigkeit, um neue Technologien, um digitalen Komponenten, auch um die Einbindung waldbaulicher Konzeptionen.
Beim Thema Wald treffe Ökonomie auf Ökologie, Fakten auf Wunschvorstellungen – aber dies sei unter Grün-Schwarz ja nichts Neues, stellte Stefan Herre (AfD) fest. Die einen wollten mit dem Forst die Natur retten, die anderen das Klima, die Wirtschaft ihre Umsätze und die Regierung ihre Hoheit. Herre kritisierte, dass mit höheren Kosten die Besitzer kleinerer Waldflächen „mit aller Gewalt in die Knie gezwungen“ werden. Er wies darauf hin, dass bereits heute 40 Prozent des deutschen Holzes ins waldarme China exportiert werden – ohne dass die EU regulierend eingreife.
Reinhold Gall (SPD) bezeichnete den Wald als „Sanatorium für Geist und Seele“. Er liefere Holz für die Bauwirtschaft, auch Energie, habe eine wichtige Funktion für den Wasserhaushalt und das Grundwasser und sei für den Naturschutz, die Luftqualität und das Klima unverzichtbar. Der Wald sei jedoch auch im Stressmodus, Bäume würden anfälliger für Sturm und Borkenkäfer, es gebe neue Krankheiten. „Deshalb ist es wichtig, dass Landkreise, Kommunen und Kleinstwaldbesitzer nicht zu Leichtgewichten oder zum Spielball im neuen Holzmarkt werden“, forderte Gall. Die SPD fördere deshalb Holzverkaufsinitiativen und Vermarktungsgenossenschaften, die zur Stabilität auf dem Holzmarkt beitragen könnten.
In Baden-Württemberg gehören 24 Prozent Wald dem Land, 40 Prozent den Kommunen und Kirchen, und 36 Prozent 260 000 Privatpersonen. 90 Prozent der Waldbesitzer haben weniger als fünf Hektar Fläche.