Stuttgart. In Baden-Württemberg werden die Bestimmungen zur Haushaltskonsolidierung vorerst keinen Verfassungsrang erhalten. Bereits in der ersten Lesung der von den Oppositionsparteien FDP und CDU vorgelegten Gesetzentwürfen zur Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung wurde heute im Stuttgarter Landtag deutlich, dass die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD den Entwürfen nicht zustimmen werden. Finanz-Staatssekretär Ingo Rust (SPD) bot allerdings CDU und FDP an, gemeinsam einen Weg für dauerhafte Landeshaushalte ohne die Aufnahme neuer Schulden zu suchen.
Das Land werde in diesem Jahr und auch 2012 ohne neue Kredite im Landeshaushalt auskommen, erklärte Rust, der den bei einer Sitzung der EnBW weilenden Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) vertrat. Die CDU-Fraktion wollte Schmid zur Debatte in den Landtag zitieren, scheiterte aber bei der Abstimmung bei 62:67-Stimmen mit diesem Vorhaben.
Stattdessen wies Rust darauf hin, dass das Grundgesetz auch für die Baden-Württemberg gilt und somit für das Land bindend ist. Im Grundgesetz ist die Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 festgeschrieben. «Wir werden die dort verankerte Schuldenbremse einhalten.» Als Risiko sieht der Staatssekretär jedoch das strukturelle Defizit im Landeshaushalt in Höhe von ein bis zwei Milliarden Euro; derzeit werde dies von Steuermehreinnahmen überdeckt. «Allein der Abbau dieses strukturellen Defizits bis 2020 ist ein riesiger Kraftakt», urteilte Rust.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke begründete die Vorlage des Gesetzentwurfes damit, dass die Liberalen Zweifel hegen, ob es Grün-Rot mit der Schuldentilgung ernst meine. «Ausnahmen kann es trotzdem geben in Notsituationen», konstatierte Rülke. Tricks würden allerdings dadurch unmöglich. Außerdem sei der Verfassungsrang für die Landeshaushaltsordnung eine alte Forderung der FDP, mit der diese allerdings in der Vergangenheit am Koalitionspartner CDU gescheitert sei. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe den Verfassungsrang oft gefordert, nun wolle die FDP ihm helfen, seine Versprechungen aus der Oppositionszeit umzusetzen.
Reinhard Löffler (CDU) listete in seinem Beitrag die finanziellen Lasten von Land, Bund und Staaten weltweit auf und kam zum Schluss: «Schulden, Schulden, Schulden.» Deutschland verletze seit 2003 die Maastricht-Kriterien, die Zinslast werde «immer erdrückender». Wegen des demografischen Wandels werde auch in Baden-Württemberg die Verschuldung immer weiter steigen.
Für die Grünen führte Hans-Ulrich Sckerl den Haushalt 2012 von Grün-Rot ohne Neuverschuldung als «ersten Beweis für eine Konsolidierung» an. Der Kassensturz nach dem Regierungswechsel habe «schwarze Löcher» offenbart, aber die Landesregierung werde versuchen, den Schuldenberg abzubauen. So will Grün-Rot im nächsten Jahr einen «Finanzplan 2020» erstellen. Jetzt sei nicht der Zeitpunkt, um den Handlungsspielraum durch die Aufnahme der Schuldenbremse in der Landesverfassung einzuschnüren, sagte Sckerl. «Wenn die Risiken wieder überschaubarer werden, können wir das Thema angehen.»
Auch Wolfgang Drexler (SPD) sprach von einem «enormen Investitionsbedarf» in Baden-Württemberg. Deshalb müsse gemeinsam darüber nachgedacht werden, ob der normale Haushalt bedient werden kann und Investitionen machbar bleiben. Er kritisierte CDU und FDP, die in der Vergangenheit nicht zu einer Schuldenbremse bereit waren. Drexler forderte die Opposition auf, mit Anträgen auf kostenintensive Maßnahmen zurückhaltender zu sein: «Wer von Schuldenbremse redet, muss sein parlamentarisches Handeln auch danach ausrichten.»