Stuttgart. Mit scharfer Kritik hat die Opposition im Landtag am späten Mittwochabend im Rahmen der Haushaltsdebatten auf die Vorlage des Einzelplanes des Wirtschaftsministeriums reagiert. „Wir sehen Bräsigkeit und Arroganz bei den Regierungsfraktionen; wir sehen Untätigkeit und fehlendes Durchsetzungsvermögen bei der zuständigen Ministerin, und durch diese toxische Kombination ist es auch zu erklären, dass trotz der guten Haushaltslage im Bereich Wirtschaft ein Haushalt der verpassten Chancen vorgelegt wird“, sagte Daniel Born (SPD).
Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) habe eine Schlagseite, wenn es um die Arbeitnehmer-Rechte gehe. Er warf ihr „fahrlässige Wirtschaftspolitik“ vor, der Haushalt beinhalte keine Wohnraumoffensive. „Alles, was Ordnung auf dem Mietmarkt schafft, wird abgelehnt, verzögert oder verschnarcht, wo es nur geht. Das, was man als aktiver und handlungsfähiger Staat angehen könnte, wird ausgebremst“, monierte der SPD-Abgeordnete. Die Ministerin liefere mit ihrer Durchsetzungsschwäche und Untätigkeit einen „Haushalt der verpassten Chancen“.
Auch Carola Wolle (AfD) sieht Schwachstellen. Das grün-schwarze Regierungshandeln sei „von Wirtschafts- und Arbeitnehmerfeindlichkeit geprägt“ und mache besonders den kleinen und mittelständischen Unternehmen das Leben schwer. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer als Schlüsselbranche im Land würden geschwächt und ihrer Wettbewerbsfähigkeit beraubt. Dies sei schlecht für den Automobilstandort, die Arbeitnehmer und die Arbeitsplätze. Die Regierung tue nichts, um die Unternehmen aus dem Würgegriff der EU-Bürokratie zu befreien und setze mit dem Bildungszeitgesetz sowie dem Tariftreue- und Mindestlohngesetz noch eines darauf. Auch die Gender- und Gleichstellungsbildungspolitik des Landes wirke sich katastrophal auf die Beschäftigungssituation aus. Wolle forderte den Stopp ideologisch bedingter Verteuerungen beim Bau wie die Energiesparverordnung oder die Begrünungspflicht, die Senkung der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozent und den Abbau von Bürokratie.
Gabriele Reich-Gutjahr (FDP) warf der Regierung vor, die Schlüsselbranche Automobilindustrie zum Problemverursacher Nummer eins in Umweltfragen diskreditiert zu haben. Grün-Schwarz müsse endlich ideologische Wunschbilder über Bord werfen und die Fokussierung auf batterieelektrische Mobilität aufgeben. Sie schlug eine Offensive zu Wasserstoff und Brennstoffzelle sowie zu synthetischen Kraftstoffen vor. Trotz eines Haushaltsvolumens von erstmals mehr als einer Milliarde Euro versäume es die Wirtschaftsministerin, die Wirtschaft im Land zukunftsfest zu machen. Auch im Wohnungsbau vermisst die Liberale zukunftsweisende Konzepte. Das Landeswohnraumförderungsprogramm werde auf 250 Millionen Euro jährlich erhöht, obwohl aus den Jahren 2017 und 2018 noch 160 Millionen nicht abgerufen worden sind. Der Haushalt zeuge von Halbherzigkeiten, Fehlallokationen und Versäumnissen. Ein Schub für die Wirtschaft erwartet Reich-Gutjahr davon nicht.
Hoffmeister-Kraut wies die Kritik zurück. Die Wirtschaftspolitik sei nach fünf Jahren SPD-Dornröschenschlaf erweckt worden. Sie sei schockiert über die Boshaftigkeit, Ahnungslosigkeit und Ideenlosigkeit der Ausführungen von Born. Die Ministerin stellte sechs Schwerpunkte ihrer Arbeit heraus: Passgenaue Förderung, attraktive Konditionen und neue Konzepte für bezahlbares und bedarfsgerechtes Wohnen, Intensivierung der wirtschaftsnahen Forschung und des Technologietransfers in den Schlüsseltechnologien Mobilität, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, Gute Wachstumsbedingungen für Gründerinnen und Gründer sowie insbesondere für innovative Start-ups, Sicherung des Fachkräftepotentials und Integration in Arbeit, Stärkung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen gegen protektionistische Tendenzen sowie Unterstützung von Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleistungen.
Eine der wichtigsten Aufgaben sei die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. 250 Millionen Euro stünden zur Förderung stabil bereit. Für den neuen Kommunalfonds „Wohnraumoffensive Baden-Württemberg“ stünden 147,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Land stärke auch weiter die Institute der Innovationsallianz Baden-Württemberg, die Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft und die Institute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mit 375 Millionen Euro. In Existenzgründungen und Start-ups werden etwa 29 Millionen Euro investiert: Das erfolgreiche Förderprogramm Start-up BW Pre Seed wird mit 14 Millionen Euro fortgesetzt. Die Förderung der Start-up Acceleratoren sei mit 11 Millionen Euro bis 2024 sichergestellt.
Neu eingeführt wird eine Meistergründungsprämie, mit der Betriebsübernahmen im Handwerk mit zwei Millionen Euro gezielt gefördert werden. Für die Aus- und Weiterbildung sowie die Steigerung des Fachkräftepotentials von Frauen, ausländischen Fachkräften und arbeitslosen Menschen werden fast 94 Millionen Euro investiert. Im Rahmen des Landesarbeitsmarktprogramms stehen weitere 6,4 Millionen Euro zur Verfügung, um Menschen auf ihrem Weg in die Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Mit 13 Millionen Euro setzt das Ministerium das Impulsprogramm Industrie 4.0 fort. 21 Millionen Euro stehen zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen für die Förderung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen bereit. „Wir packen die Themen an, gehen die Herausforderungen an, bieten Lösungen an und bringen konkrete Maßnahmen auf den Weg“, sagte Hoffmeister-Kraut.
Rückendeckung erhielt die Wirtschaftsministerin von Grünen und CDU. „Wir bringen die ökologische Modernisierung und den Erhalt guter Arbeitsplätze im Land voran“, sagte Andrea Lindlohr (Grüne). Grün-Schwarz gestalte den Strukturwandel mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Transformation zu nachhaltigen, klimafreundlichen Produktionen. Die Landesregierung wolle für einen echten, also höheren, CO2-Preis kämpfen. Außerdem verfüge Baden-Württemberg als erstes Bundesland mit 450 Stationen über ein flächendeckendes Ladenetz für E-Fahrzeuge. Lindlohr kritisierte die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betriebenen Abstandsregelungen für Windkraftanlagen. Diese „Antiindustriepolitik“ mache Arbeitsplätze, eine Industriebranche und das Klima kaputt. Das Cyber Valley bezeichnete sie als „Leuchtturm der künstlichen Intelligenz“.
„Vollgas fürs Land“ – so würde Claus Paal (CDU) den Einzelplan 07 überschreiben. Der Landeshaushalt beweise: Klimaschutz, Luftreinhaltung, moderne Mobilität, Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Innovation – „all das geht zusammen, geht nur zusammen“. Er sei eine Innovationsoffensive für mehr Arbeitsplatzsicherheute, für den Erhalt der Innovationskraft und des Standorts. Vor allem an Speichertechnologien und neuen Batterien müssten in Baden-Württemberg geforscht werden. Auch der moderne Dieselmotor könne Teil der Lösung sein. Eine Klimaschutzstiftung soll ein Konzept erstellen, das nach dem Motto „Reduzieren, Substituieren und Kompensieren“ CO2-Emissionen im Land abbaut. Der CDU sei auch die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung wichtig. Bezahlbarer und verfügbarer Wohnraum bleibe auf der Prioritätenliste, bis das Problem gelöst sei.