STUTTGART. Als „neue Königin der CDU“ und mögliche künftige Ministerpräsidentin hat FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke Kultusministerin Susanne Eisenmann scharf kritisiert. In einer von seiner Fraktion beantragten aktuellen Debatte unter dem Titel „Stillstand, Blockaden und faule Kompromisse – hat die Kultusministerin die Bildungspolitik der grün-schwarzen Koalition noch im Griff?“ sprach er von einer „bitteren Realität“ für die CDU, denn sie habe „eine Spitzenkandidatin, von der man zu anderen Politikfeldern noch nichts gehört hat und die in ihrer ureigenen Zuständigkeit, der Schulpolitik, am grünen Nasenring durchs Neue Schloss geführt wird“. FDP-Bildungspolitiker Timm Kern warf Eisenmann sogar vor, „mit dem Schaufelbagger durch den bildungspolitischen Vorgarten gefahren zu sein“.
Die kleinste Oppositionsfraktion im Landtag versuchte die Differenzen innerhalb der Landesregierung an konkreten Beispiel herauszuarbeiten. Rülke nannte als Beispiele die Forderung nach einem bundesweiten Zentralabitur, die Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht mittrage, oder den FDP-Gesetzentwurf zur Zukunft der Beruflichen Realschule, den die Kultusministerin auf Geheiß der Grünen blockieren müsse. Auch in der Frage der Wahlfreiheit im Bereich der Ganztagsschule werde sie „von den Grünen ausgebremst“. Nicht einmal auf den Minimalkonsens des Koalitionsvertrags einer Wiederaufnahme der Bezuschussung der kommunalen Betreuungsangebote könne man sich einigen, kritisierte Rülke und beklagte außerdem die Beibehaltung der „Privilegierung der Gemeinschaftsschule“.
Die Redner von Grünen und CDU, Fraktionschef Andreas Schwarz und Bildungsexperte Karl-Friedrich Röhm, unterstrichen hingegen die Notwendigkeit von Debatten, um zu Einigungen zu kommen. Röhm sprach sogar von einer "kreativen Spannung in dieser Koalition, die viel Energie freisetzt“. Er wies alle Vorwürfe der FDP zurück und bedankte sich ausdrücklich nicht nur bei Eisenmann, sondern auch bei Kretschmann für dessen Engagement, „wenn der Karren mal verfahren ist“.
Schwarz erinnerte an die eine Milliarde Euro, die in dieser Legislaturperiode zusätzlich in die Bildung fließe, er sprach allerdings auch Baustellen an, „bei denen wir klare Erwartungen an Ministerin Eisenmann haben“, so bei der regionalen Schulentwicklung oder der Umsetzung des Digitalpakts. Rülke hielt er vor, seine Reden zeichneten immerzu dasselbe Bild: „Sie suggerieren eine FDP, die das konservative Erbe hütet. Und Sie fordern unseren Koalitionspartner auf, doch mit Ihnen gemeinsame Sache zu machen.“
Eisenmann kontert scharf
Auch Eisenmann selber konterte scharf, unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass Rülke das Kultusministerium im Neuen Schloss verortet hatte. Das habe sie „zum Teil ein bisschen erschüttert,“ denn der Umzug habe bereits 2012 stattgefunden, die FDP könne also ihr Haus nicht einmal geographisch richtig zuordnen. Das verheiße nichts Gutes für deren bildungspolitische Ausführungen. Sie selbst habe in der Frage von Stillstand und Blockade eine ganz andere Definition, etwa angesichts der frühkindlichen Bildung, in die im Endausbau 80 Millionen Euro zusätzlich fließen sollen, oder beim Rechtschreibrahmen für die Grundschule, der von Lehrern und Lehrerinnen sehr begrüßt werde.
Erst auf einen Zwischenruf Rülkes reagierte sie mit einer Erklärung ihrer Forderung nach einem Zentralabitur: Es werde an einem Länderstaatsvertrag über einheitliche Standards gearbeitet, weil es auch nicht gerecht sei, wenn in Bremen Noten auf anderem Niveau vergeben würden als in Baden-Württemberg und die gleichviel zählten. Außerdem gebe es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Abiturnoten als nicht mehr vergleichbar bezeichnet. Deshalb müssten die Standards weiterentwickelt werden „und zwar aus den Ländern heraus“.
Neben der FDP gingen auch AfD und SPD hart ins Gericht mit der Ministerin. Rainer Balzer (AfD) kritisierte, dass „eigentlich“ gerade kein Stillstand zu erkennen sei, „sondern vielmehr ist in manchen Bereichen so eine Art Niedergang festzustellen“. Die CDU befinde sich „im Krebsgang“ und verabschiede sich von früheren Überzeugungen.
Stefan Fulst- Blei (SPD) mahnte Ruhe, pädagogische Konzepte und Wertschätzung an. Weil Rot-Grün 2011 einen „pädagogischen Stillstand“ in Baden-Württemberg vorgefunden habe, seien Reformen dringend nötig gewesen. Inzwischen sei es aber es Eisenmanns „Politikprinzip“, für Unruhe zu sorgen. Zudem würden die neuen Gemeinschaftsschulen „mit permanenten Nadelstichen unter Druck gesetzt“. Gerade in diesem Punkt „müssten die Grünen dem Koalitionspartner endlich einmal in den Arm fallen“.