Stuttgart. Nach 35 Jahren möchte die grün-rote Regierung wieder die verfasste Studierendenschaft in Baden-Württemberg einführen. Über den entsprechenden Gesetzentwurf beriet am Mittwoch erstmals der Landtag. CDU und FDP lehnen die verfasste Studierendenschaft ab.
„Die aktive Beteiligung der Studierenden an den Hochschulen ist ein hohes Gut“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Durch die verfasste Studierendenschafte erhielten die Studenten eine organisierte Stimme. Laut Gesetzentwurf soll sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Interessen der Studierenden vertreten. Sie unterliegt der Rechtsaufsicht der Hochschule, die die Satzung und den Haushaltsplan überwacht.
Als „kein zeitgemäßes und sinnvolles Mittel der Beteiligung“ bezeichnete Dietrich Birk (CDU) den Gesetzentwurf. Studentische Mitbestimmung sei wichtig, sagte er. Aber den Studierenden sei diese in Senat, Fakultätsrat und den Fachschaften gegeben. Er kritisierte, dass jeder immatrikulierte Student automatisch Mitglied der Studierendenschaft werde und den damit verbundenen Beitrag zahlen müsse. Der CDU-Politiker forderte, die Studenten über die verfasste Studierendenschaft abstimmen zu lassen.
Timm Kern, hochschulpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, brachte die Idee eines gewählten Studentenparlaments in den Landtag ein. „Wir müssen eine echte Wahlmöglichkeit schaffen.“ Bei der Verfassten Studierendenschaft blieben Zuständigkeiten unklar und die Behauptung Bauers, es entstünden keine zusätzlichen Kosten, sei falsch. Der Mehraufwand durch Kosten- und Rechtsaufsicht sei nicht von der Hand zu weisen.
Das Gesetz sei „ein Signal an Studierende und Gesellschaft, dass wir die Studierenden ernst nehmen“, erklärte Alexander Salomon (Grünen). Der süddeutsche Sonderweg sei ein Irrweg. Bayern und Baden-Württemberg sind die einzigen Länder ohne verfasste Studierendenschaft. Martin Rivoir (SPD) sagte, man habe damit ein zentrales Wahlversprechen eingelöst. „Wir wollen, dass unsere Hochschulen nicht nur bei Lehre und Forschung, sondern auch bei Demokratie und Mitbestimmung spitze werden.“
Die Regierung lobte den Gesetzentwurf als Beispiel für direkte Bürgerbeteiligung. Er war vorab im Internet veröffentlicht und zur Diskussion gestellt worden. 48 000 Besucher hätten die Seite besucht und 508 Kommentare abgegeben, sagte Ministerin Bauer. Birk dagegen kritisierte, berechtigte Einwände in den Kommentaren seien nicht berücksichtig worden. Außerdem herrsche bei den Studenten bezüglich der Studierendenschaft „großes Desinteresse“. Zu einer landesweit beworbenen Podiumsdiskussion seien gerade mal 50 Interessierte gekommen.
Der Gesetzentwurf sieht auch eine Öffnung der Hochschulen für Weiterbildung vor. So sollen die Hochschulen verstärkt Studierende mit Berufserfahrung oder beruflichen Abschlüssen aufnehmen. Bauer: „Wir machen damit die Hochschulen nicht nur demokratischer, sondern auch ein Stück offener.“ Über den Gesetzentwurf wird jetzt der Wissenschaftsausschuss beraten.