Stuttgart. Eine schnelle Autobahnfahrt von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) war am Donnerstag Thema einer aktuellen Debatte. In der von der FDP beantragten Aussprache „Der Umweltminister und das Tempolimit – wie glaubwürdig ist diese Koalition?“ diskutierte der Landtag über Folgen für den Minister selbst und für die Koalition.
Hans-Ulrich Rülke (FDP) warf dem Umweltminister einen Paradigmenwechsel vor und sprach von „Bleifuß statt Dekarbonisierung“. Hinsichtlich der Tempoüberschreitung des Ministers – er war mit 177 km/h unterwegs, wo 120 km/h erlaubt war – stelle sich die Frage nach persönlicher und politischer Glaubwürdigkeit. Er tadelte Untersteller für seine „grüne Doppelmoral“ und forderte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf, die Situation zu bewerten. Rülke verwies darauf, dass Hermann bei anderer Gelegenheit – der Geschwindigkeitsüberschreitung eines ehemaligen nordrhein-westfälischen Verkehrsministers – einen Rücktritt gefordert habe. Er habe die Debatte beantragt, um die offenen Streitfragen in der Koalition aufzuzeigen. Die FDP hoffe, „dass die Wählerinnen und Wähler am 14. März Einsehen haben und das Land von dieser Zwangsehe lösen“.
Jürgen Walter (Grüne) nannte die Debatte nicht nur peinlich, sondern eine „politische Bankrotterklärung der FDP“. Auf die Sorgen der Menschen angesichts der Coronakrise hätte die Politik Antworten zu geben. Daran seien die Liberalen aber wohl nicht interessiert. Der Minister habe einen Fehler gemacht. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) habe ihn gerügt und Untersteller habe sich entschuldigt und Besserung gelobt.
CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart (CDU) wies darauf hin, dass Untersteller sich „den Fehler sehr zu Herzen“ nehme. Er schlug vor, „lassen wir Milde walten“. Vermutlich habe der Umweltminister die Geschwindigkeit unterschätzt. Reinhart forderte dazu auf, „die Kirche im Dorf zu lassen“ und auf den Rechtsstaat zu vertrauen. Dabei stellte er klar, es dürfe „keinen Minister-Malus“ geben. Die Menschen hätten andere Sorgen als der Bleifuß des Ministers. Insofern tauge dieser nicht dazu, die Arbeit der Koalition zu bewerten. Der Fraktionschef versprach, dass „das Land nach der Krisensituation wieder aufblüht“.
Martin Rivoir (SPD) wies darauf hin, dass das Rasen auf der Autobahn kein Kavaliersdelikt sei. Er beabsichtige nicht, Häme und Spott auszuschütten; der Minister habe den Fehler eingestanden und werde dafür bestraft. Er warb für ein Tempolimit auf Autobahnen, welches der Sicherheit, dem Klimaschutz, einer Entspannung im Verkehr und autonomen Fahrzeugen zugutekomme. Untersteller riet er, künftig den Zug zu nehmen.
Kritik an der Energiewende äußerte Hans-Peter Stauch (AfD), die es „genauso eilig“ habe wie der Minister auf der Autobahn. Diese schade der Industrie und sei für die Steuerzahler eine Belastung. Er appellierte an Untersteller: „Fahren Sie verantwortungsvoll und nicht ideologiebetrieben.“ Sein Fraktionskollege Anton Baron warf den Grünen Doppelmoral vor und verlangte „eine inhaltliche Kursänderung“. An die CDU gerichtet monierte er, die Doppelmoral der Grünen mitzutragen. Er forderte, das Tempolimit auf der A81 „im Interesse des Landes und im eigenen Interesse“ des Ministers aufzuheben.
Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) reagierte mit Bedauern und räumte seinen Fehler ein. Die Kritik und Häme müsse er aushalten, sagte er. In die Runde fragte er, welche Erwartungen es an die Politik gebe und fragte, ob es erlaubt sei, Fehler „zumal im privaten“ zu machen. Oder ob man den Anspruch habe, fehlerfrei zu sein und „dann die politische Bühne zu verlassen“. Er betonte, mit der privaten Raserei und der damit verbundenen Strafe keinen weiteren Personen weh getan zu haben. „Den größten Schaden habe ich mir mit der Sache selbst zugefügt“, sagte er.