Stuttgart. Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen sind für die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. In der von der AfD-Fraktion beantragten aktuellen Debatte kündigte Daniel Lede-Abal (Grüne) am Mittwoch an, die Zustimmung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zur Vorlage der Bundesregierung zu unterstützen.
Die grün-schwarze Landesregierung habe eine verbindliche Vereinbarung mit der Bundesregierung getroffen, wonach für besonders schutzbedürftige Personen weiterhin keine erhöhte Darlegungslast vorliege. „Sollte der Ministerpräsident unter dieser Maßgabe im Bundesrat zustimmen, unterstützen wir ihn bei dieser Entscheidung, die wir tatsächlich für sehr schwer erachten“, sagte Lede-Abal.
Das Länderparlament wird am 8. Juli über die Anerkennung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten abstimmen. Außer Baden-Württemberg hat noch kein Bundesland mit grüner Beteiligung seine Zustimmung signalisiert. „Wie andere Länder entscheiden, ist nicht unsere Sache“, stellte Lede-Abal fest. Perspektivisch würden auch die Südwest-Grünen das Modell der sicheren Herkunftsländer kritisch sehen. Deshalb unterstütze man das Vorhaben der Landesregierung. Lede-Abal sprach sich für das Grundrecht auf Asyl als humanitäre Verpflichtung und für schnelle Integrationsangebote aus, betonte allerdings auch, dass Menschen das Land verlassen müssen, wenn Verfahren negativ entschieden und Rechtsmittel erschöpft seien.
Innenminister Strobl: Zunahme von Asylbewerbern aus Maghreb-Staaten groß
Innenminister Thomas Strobl (CDU) erneuerte die Zusage, Baden-Württemberg werde am 8. Juli im Bundesrat für die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer stimmen. Die Zahl der Menschen aus diesen Ländern sei sehr stark gestiegen: Waren es 2012 noch 1500 Asylantragsteller, so erhöhte sich deren Zahl 2015 auf 5000. Bis Ende Mai dieses Jahres stellten 2300 einen Antrag. „Das sind ungefähr 3000 zu viel“, erklärte Strobl. Die Schutzquote liege sehr niedrig, zwischen 0,5 und 2,2 Prozent. Für den Minister ist damit klar, das die Asylanten aus diesen Staaten „fast ausnahmslos aus asylfremden Gründen“ kommen. Der Flüchtlingsschutz umfasse aber nicht die Flucht aus asylfremden Gründen. Andererseits die Erklärung zu einem sicheren Herkunftsstaat kein Freibrief für die pauschale Ablehnung von Asylanträgen.
Hinsichtlich der Maghreb-Staaten dürfe es „kein Weitermachen wie bisher“ geben, begründete der AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen die Aktuelle Debatte. Die „unkontrollierte Massenmigration“ überfordere Deutschland. „Das macht unser Land kaputt“, sagte Meuthen. Seine Partei fordere deshalb eine „geordnete Migration“. Dies habe nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun.
Die CDU stehe zum Menschenrecht auf Asyl, „unsere Richtschnur ist das christliche Menschenbild“, erklärte Winfried Mack (CDU). Aber sie sage auch ganz klar mit Kardinal Marx: Wir können nicht alle Notleidenden dieser Welt aufnehmen. Deshalb habe man im Grundgesetz Artikel 16a das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten durchgesetzt. Dadurch gehe das Recht auf Einzelfall-Prüfung aber nicht verloren. Mack wies auf die plötzliche Zunahme von Menschen aus den Maghreb-Staaten um 250 Prozent hin, trotz einer sehr geringen Anerkennungsquote. Nach Prüfung der Bundesregierung sei es vertretbar, diese Staaten als sichere Herkunftsländer zu deklarieren.
SPD erwartet sich "keine Wunder" von längerer Liste sicherer Herkunftsstaaten
Die Landesregierung und die grün-schwarze Koalition hätten sich in der Debatte um sichere Herkunftsländer „nicht mit Ruhm bekleckert“, konstatierte Rainer Hinderer (SPD). Dass erwarte seine Fraktion jetzt, dass Regierungschef Kretschmann im Bundesrat der Regelung zustimmen und seiner Verantwortung gerecht werde. Außerdem seien zwei Dinge notwendig: Die Asylverfahren für Menschen, die so gut wie keine Bleibeperspektive haben, zu beschleunigen und dass die Ansage „sichere Herkunftsstaaten in Marokko, Algerien und Tunesien ankomme, damit sich Menschen gar nicht mehr auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer machen. „Die SPD steht für die Zustimmung im Bundesrat. Wunder erwarten wir jedoch nicht“, sagte Hinderer.
Im Fall der Maghreb-Staaten sei nach einem ganz aufwendigen Prüfungsverfahren entschieden worden, sagte Ulrich Goll (FDP). Man habe allerdings die Situation, dass Ministerpräsident Kretschmann A sage und die Grünen B. Dies werfe Fragen nach persönlicher Glaubwürdigkeit auf. „Man muss den Leuten eigentlich dann auch deutlich sagen, dass man keinen Einfluss hat, dass man als baden-württembergischer Ministerpräsident an dieser Stelle in seiner Partei nicht zu sagen hat“, forderte Goll. Bei dem Liberale bleibe der Eindruck zurück, dass das Land mit dieser Koalition kein sonderliches Gewicht in Berlin entfaltet.