Opposition kritisiert Regierungserklärung

08.06.2016 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 
Foto: Archiv

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Stuttgart. Ein Sammelsurium an Gemeinplätzen, schwammige Aussagen, Phrasen und Worthülsen – mit solchen und ähnlich bissigen Kommentaren haben die Oppositionsfraktionen im Stuttgarter Landtag am Mittwoch auf die Regierungserklärung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor einer Woche im Parlament reagiert.  

Als „Armutszeugnis“ apostrophierte Jörg Meuthen (AfD) den vom Regierungschef als „demokratisches Reifezeugnis und das Ergebnis intensiver Verhandlungen guter Demokratinnen und Demokraten“ bezeichneten Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU.  Der Vertrag sei „intellektuell arm und absolut uninspirierend“, sagte Meuthen. Zum Gestalten würden Wissen, Fantasie und Begeisterung für die Zukunft fehlen, befand der AfD-Abgeordnete, dem als Fraktionschef der größten Oppositionspartei das erste Rederecht zustand.

Doch bereits in der ersten Debatte des 16. Landtags wurde die Kluft zwischen der AfD – mit 15,1 Prozent immerhin drittstärkste politische Kraft in Baden-Württemberg - und den vier etablierten Parteien deutlich. Grüne, CDU, SPD und FDP versuchten sich klar von AfD abzugrenzen. Hetze gegenüber Minderheiten in Deutschland dürfe nicht wieder politisch salonfähig werden, das Quartett bekannte sich wie Kretschmann zu Europa und gegen eine nationalistische, autoritäre Politik, Hetze gegen Schutzsuchende und Migranten sowie das Schüren von Ängsten.  

Ministerpräsident rügt AfD-Fraktionsvorsitzenden

Der Ministerpräsident sah sich sogar zu einer Rüge von Meuthen veranlasst. „Die Unwetteropfer gegen die Flüchtlinge auszuspielen, das ist einfach nur schäbig“, konstatierte Kretschmann. Der AfD-Fraktionschef zuvor im Zusammenhang mit den von Unwetter geschädigten Bürgern gesagt: „Während für echt wie auch für nur vermeintliche Flüchtlinge aus fernen Ländern, die zu nicht geringem Teil illegal und unkontrolliert in unser Land einreisen, ad hoc Hunderte von Millionen bereitgestellt werden, fehlt für den Fall, dass die eigene Bevölkerung von einer schweren Katastrophe getroffen wird, genau die Empathie, die man Emigranten aus fernen Ländern offenbar undifferenziert und auch unlimitiert gegenüber erbringt.“

Im Zentrum der Debatte stand jedoch die Regierungserklärung. Kretschmann führe die grün-rote Politik unverändert weiter, nur mit einem neuen Juniorpartner, urteilte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Konkret sei die Koalition aus Grünen und CDU nur bei ihrer Gier nach Ämtern gewesen. Er bezog sich damit auf die „in nie dagewesener Weise ausgeweitete Zahl der Staatssekretäre“ auf Kosten des Steuerzahlers; zudem habe sich Grün-Schwarz zwei Regierungspräsidenten-Posten unter den Nagel gerissen. Nach Ansicht des Liberalen sei Kretschmanns der Koalitionsvertrag und Regierungserklärung von drei Leitmotiven durchzogen: „Allgemeines Blabla. Die CDU als Verlierer der Verhandlungen. Und Prüfen statt Handeln.“ Rülke konstatierte, der Vertrag beinhalte 508 Mal „wollen“ statt „machen“, 132 Mal „prüfen“ und lediglich 36 Mal sei von „umsetzen“ die Rede. 

SPD: Grüne und CDU ohne gemeinsame Ziele

Für die SPD, die von 2011 bis zur Landtagswahl im März mit den Grünen regiert hatte, ging der neue Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch differenzierter ans Werk.  Er werde nicht an den Stellen die verbale Keule auspacken, an denen es darum gehe, das Land in der Linie der vergangenen fünf Jahre weiter zu entwickeln. Die SPD werde aber deutlich Kritik üben, wo sie das Gefühl habe, dass wichtige Entscheidungen für das Land nicht getroffen werden, weil keine konkreten Aussagen im Koalitionsvertrag zu finden sind. Grüne und CDU hätten keine gemeinsamen Ziele, warf Stoch den Regierungspartnern vor.

Grüne und CDU verteidigten dagegen den Koalitionsvertrag. Grün-Schwarz stehe für Weitblick und Courage und biete beste Voraussetzungen für das Zusammenspiel von Ökologie und Ökonomie, sagte Andreas Schwarz. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen kündigte in allen Bereichen eine Politik an, die Baden-Württemberg jeden Tag ein bisschen besser macht“.

Reinhart: Solides, ehrliches Arbeitsprogramm

Ähnlich positiv bewertete Wolfgang Reinhart die Koalition. Die CDU verpflichte sich zum Gelingen der Regierung, starte in das Wagnis der ersten grün-schwarzen Landesregierung in Deutschland aber „nicht mit schwärmerischer Euphorie, sondern mit überlegter Sachlichkeit, mit konkreten Zielen und auch mit klaren Erwartungen an die Regierung und unseren Koalitionspartner“.  Nach Ansicht des CDU-Fraktionschefs besteht der Koalitionsvertrag nicht aus Liebeslyrik; er sei vielmehr ein solides, ehrliches Arbeitsprogramm mit beherztem Pragmatismus. Eine „Road Map“ für die nächsten fünf Jahre. Als Schwerpunkte der Legislatur nannte Reinhart die Sicherheit und die Sicherung von Zukunftschancen in Stadt und Land. Der angestrebte Ausbau der Digitalisierung werde neue Arbeitsplätze bringen.

Kretschmann nahm die Kritik der Opposition eher gelassen. Baden-Württemberg sei in einer hervorragenden Verfassung, sei die „Wachstums-Lokomotive“ in Deutschland, habe die niedrigste Arbeitslosenquote und die geringste Jugendarbeitslosigkeit, die besten Kitas und eine der höchsten Exportquoten. Das Land verfüge über die stärksten Kommunen und das höchste bürgerschaftliche Engagement. „Der Koalitionsvertrag ist eine verlässliche und solide Grundlage, um Baden-Württemberg weiterhin an der Spitze zu halten“, erklärte  der Ministerpräsident. Grüne und CDU hätten in einer schwierigen Situation nach der Wahl staatspolitisch verantwortungsvoll gehandelt: „Das war sozusagen eine Zusammenarbeit im Schnellkochtopf.“  Der Koalitionsvertrag sei deshalb keine spektakuläre, jedoch eine solide Grundlage. Mit Wirtschaft und Digitalisierung seien die richtigen Weichenstellungen erfolgt. Schwerpunkte würden auch für Gründermentalität und Startups gesetzt. In der Schulpolitik sei ein Kompromiss gefunden worden, der in Richtung Schulkonsens gehe. Kretschmann kündigte außerdem an, bei den Haushaltsberatungen mit allen, die von Einsparungen betroffen seien, zu sprechen.


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