Stuttgart. In der zweiten Lesung des baden-württembergischen Staatshaushaltsplans für 2018/2019 hat Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Mittwoch den Einzelplan 03 des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration gerechtfertigt. „Wir setzen den Rechtsstaat in Baden-Württemberg. Es gibt kein Zurückweichen vor dem Unrecht“, erklärte Strobl in der Aussprache über seinen Etat, der in den beiden kommenden Jahren Ausgaben in Höhe von jeweils rund 3,7 Milliarden Euro vorsieht. Die Erhöhung gegenüber dem Plan für 2017 beträgt jeweils rund 200 Millionen Euro. Mit 42 700 Stellen, darunter rund 30 000 bei der Polizei, fällt der Bereich Personal bei den Ausgaben am stärksten ins Gewicht. Grün-Schwarz habe die Weichen richtig gestellt, konstatierte der Minister und nannte als Beispiele neben dem geänderten Polizei- und Verfassungsschutz-Gesetz auch die Neueinstellungen bei der Polizei sowie deren bessere technische Ausstattung.
Neben den in diesem Jahr ausgebildeten 1400 neuen Polizisten würden 2018 und 2019 jeweils 1800 Polizeibeamte ausgebildet. Strobl verwies auch auf die Rekordzahl von 544 Studienanfängern an der Polizeihochschule Villingen-Schwenningen. „Der Schutz der Bürger hat Vorrang. Die Innere Sicherheit ist das Herausragende bei diesem Einzelplan“, rechtfertigte auch Hans-Ulrich Sckerle (Grüne) die Höhe des Einzelplans. Freiheit entstehe nur durch Sicherheit. Deshalb solle Baden-Württemberg das sicherste Bundesland in Deutschland bleiben und die personelle Verstärkung der Polizei sei deshalb der Schwerpunkt in den kommenden beiden Jahren, erklärte der Innen-Experte der Grünen-Fraktion. Der Polizeiberuf sei attraktiv, urteilte Sckerl und verwies auf 5000 Bewerbungen für die 1800 Anwärterstellen. Trotz der Pensionierungswelle hofft der Grüne, dass die Polizeistellen von 2020 an „deutlich im Plus“ liegen werden.
Aus Sicht von Thomas Blenke (CDU) muss die Sicherheitspolitik „vom Bürger aus“ gedacht werden. Grün-Schwarz habe viel erreicht und den unter dem SPD geführten Innenministerium entstandenen Entscheidungsstau aufgelöst. Polizei und Verfassungsschutz seien neue Befugnisse eingeräumt worden. Dennoch gebe es in der Bevölkerung große Sorgen aufgrund der verschärften Sicherheitslage in Deutschland, die unter anderem zu stärkerer Polizeipräsenz auf den Weihnachtsmärkte führe, sagte Blenke. Man werde sich aber „die Freiheit nicht von Terroristen nehmen lassen“. Deshalb sei mehr Polizei notwendig. Positiv bewertete der CDU-Polizeiexperte die fünf neuen Ausbildungsstandorte neben der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen.
Für die AfD forderte Lars Patrick Berg weitere Investitionsmittel in Höhe von zehn Millionen Euro für den Standort Villingen-Schwenningen. Bei der Polizei dürfe nicht Schmalhans der Küchenmeister sein. Als „Peinlichkeit für unser Land“ bezeichnete Berg die Tatsache, dass viele Polizisten „schon jetzt Nebenjobs brauchen“, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Skeptisch ist der AfD-Polizeiexperte auch hinsichtlich des künftigen Personalstands bei der Polizei; er befürchtet, dass die Neueinstellungen die Lücken durch Pensionierungen nicht abfangen können. Außerdem forderte er höhere Zulagen für Polizisten; diese stünden in keinem Verhältnis zum Aufwand und seien eine „unterwertige Bezahlung“. Da angesichts sinkender Flüchtlingszahlen der Grenzschutz weniger werde, biete dieser Potenzial für neue Landespolizisten. Außerdem wandte sich Berg gegen die „Bagatellisierung von linker Gewalt“.
Sascha Binder (SPD) kritisierte die Novellierung des Polizeigesetzes als „ein einziger Krampf“. Fehlanzeige reklamierte er im Innen-Haushalt bei Mitteln für die Technik, um Quellen-Telekommunikationsüberwachung durchführen zu können, Mittel für eine Software für die intelligente Videoüberwachung, Mittel für die Anschaffung von mehr Fußfesseln und Mittel für Schulungen, damit die Polizei mit den neuen Möglichkeiten auch umgehen dann. „Gesetze allein machen ein Land nicht sicherer“, sagte der SPD-Polizeiexperte. Auch bei der Schaffung erweiterten Ausbildungskapazitäten sieht Binder auf dem Weg zu einer Entscheidung nur „Chaos, Widersprüchlichkeiten und Unruhe“. Auch persönlich ging Binder mit Strobl hart zu Gericht. So habe er den Brandbrief des Mannheimer Oberbürgermeisters wegen Unterstützung gegen eine Gruppe krimineller, unbegleiteter minderjähriger Ausländer sechs Wochen lang unbeantwortet gelassen. Auch der Antrag der Stadt Reutlingen auf Stadtkreis-Gründung werde seit Monaten liegen gelassen. Die SPD wünsche sich mehr Flexibilität und verlässliche Planbarkeit für Kommunen und die Wirtschaft in der Flüchtlingsfrage.
Für Ulrich Goll (FDP) ist die Tatsache, dass die Polizei im Land funktioniert, den Revieren zu verdanken, die einst bei der Reform von Innenminister Gall (SPD) nicht betroffen waren. Seit Jahren sei die Polizei durch die Reformen „mit sich selbst beschäftigt“, kritisierte der frühere Justizminister. Bis heute seien grobe Fehler nicht bereinigt. Er warf Grün-Schwarz vor, die - von der FDP seit Jahren geforderte - Einstellungsoffensive zu spät gestartet zu haben. Würde die Regierung diese umsetzen, stünden 2021 ganze 20 Polizisten mehr als heute zur Verfügung. Auch mit der Polizeiausbildungsstätte Wertheim sei „Geld verbrannt“ worden. Goll kritisierte außerdem die Flüchtlingspolitik als „falsch und zu teuer“.
Bei der Digitalisierung waren sich der Minister und alle fünf Fraktionen einig darüber, dass in Baden-Württemberg flächendeckend das schnelle Internet zur Verfügung stehen muss. 2016 habe der Südwesten noch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt gelegen, heute „liegen wir darüber“, stellte Strobl fest. „Stück für Stück“ gebe es im Land das schnelle Internet. Die Förderpolitik werde fortgesetzt; nicht nur 335 Millionen Euro stünden dafür zur Verfügung, sondern bis zum Ende der Legislatur eine Milliarde Euro. Der Minister räumte allerdings Erhitzung am Markt ein, so dass die Bauarbeiten nur schleppend vorankommen.
Nach Ansicht von Sckerl ist das Land bei der Digitalisierung gut aufgestellt. Blenke will, dass beim Ausbau im ländlichen Raum „Vollgas gegeben wird“. Dagegen bezeichnete Binder die Digitalisierung als „Flickenteppich ohne Plan“. Digitalisierung müsse mehr sein als das „Übergeben von Breitbandförderbescheiden“. Der Breitbandausbau komme nicht voran. Goll befürchtet sogar, dass in dieser Legislatur nicht mal „der erste Schwarzwald-Hof erreicht“ werde. Strobl hatte angekündigt, den „letzten Hof“ mit Breitbank auszustatten. Klaus Dürr (AfD) forderte, jährlich mindestens 500 Millionen Euro in den Breitbandausbau zu investieren.