Stuttgart. Die Regierungsfraktionen Grüne und SPD sehen keine Veranlassung, das Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg wieder abzuschaffen. Dieses Gesetz sei notwendig für fairen Wettbewerb und gute Arbeit, sagte Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) am Mittwoch im Landtag.
„Deshalb halten wir am Gesetz fest.“ Zuvor hatte die FDP-Fraktion den Gesetzentwurf zur Aufhebung des Tariftreuegesetzes ins Parlament eingebracht. Hans-Ulrich Rülke, der Fraktionschef der Liberalen, hatte die Initiative damit begründet, dass nach dem von der Großen Koalition in Berlin beschlossenen und seit dem 1. Januar bundesweit wirksamen Mindestlohngesetz das Landesgesetz überflüssig sei.
Dem widersprachen Minister Schmid und die Abgeordneten von Grünen und SPD in der ersten Lesung. Es handele sich um zwei unterschiedliche Rechtsbereiche, erklärt Schmid. Das Tariftreue-Gesetz ziele auf das Vergabe-Recht, das Mindestlohn-Gesetz der Bundesregierung sei dem Arbeitsrecht zuzuordnen. Die Landesregierung wolle mit dem seit 1. Juli 2013 geltenden Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge „Verzerrungen bei öffentlichen Vergaben verhindern“. Nur so könnten „soziale Leitplanken“ installiert werden. Schmid wies auch den Vorwurf der Opposition zurück, wonach das Tariftreue-Gesetz eine Bürokratielawine verursache. „Die Umsetzung ist unproblematisch“, sagte der Minister, das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart wisse nichts von einer „nicht mehr hinnehmbaren Bürokratie“.
Dagegen argumentiere Rülke, durch das Mindestlohngesetz der Bundesregierung und das Tariftreuegesetz der Landesregierung gebe es in Baden-Württemberg „eine doppelte Absicherung“ und damit „eine doppelte Bürokratie“. So plädiere auch der Handwerkstag im Südwesten für die Rücknahme des Gesetzes, das zudem EU-rechtswidrig sei. Die Bauwirtschaft spreche von einem Bürokratiemehraufwand, auch der Landkreistag sei gegen das Tariftreuegesetz.
Reinhard Löffler (CDU) sieht im zwischen Regierung und Opposition umstrittenen Landesgesetz gar einen „adipösen Amtsschimmel“. Der Mindestlohn gelte auch für die Vergabeverfahren, sagte er. Auch er plädierte für die Abschaffung der konkurrierenden Gesetzgebung, zumal nach dem Grundgesetz „Bundesrecht das Landesrecht bricht“. Der wortgewandte CDU-Abgeordnete warf Minister Schmid vor „Wirtschaftpolitik aus dem Hobbykeller“ zu betreiben.
Für die Grünen schmetterte Andrea Lindlohr die FDP-Initiative ab. Der Antrag sei „oberflächlich begründet“. Das Tariftreuegesetz sei ein Beitrag für faire Bedingungen bei der Vergabe. „Deshalb werden wir es beibehalten“, kündigte sie die Ablehnung an. Lindlohr räumte allerdings ein, dass durch weitere ausstehende EuGH-Urteile eine Änderung des Gesetzes notwendig sein könnte. Die Grüne nannte auch Beispiele, wo das Tariftreuegesetz greife: Etwa im Bereich der Gebäudereinigung, wo auch Nachfolge-Unternehmen davon erfasst worden. Oder bei Verkehrsdienstleistungen, wo von 2019 an Ausschreibungspflicht besteht. Nach Aussage Lindlohrs erhalten Busfahrer in Baden-Württemberg einen Mindestlohn von 14,77 Euro. „Wenn wir das Tariftreuegesetz abschaffen, dann gelten bei Ausschreibungen nur 8,50 Euro“, rechnete sie vor.
Aus Sicht von Hans-Peter Storz (SPD) ist das Tariftreuegesetz kein zweites Mindestlohngesetz. „Es ergänzt die bundesrechtlichen Regelungen“, erklärte er. So seien die Omnibusunternehmer im Südwesten auf das Tariftreuegesetz angewiesen, um gegen Wettbewerber bestehen zu können. „Es sorgt für fairen Wettbewerb bei öffentlichen Aufträgen und ist nicht überflüssig.“ Deshalb gibt es für Storz „keinen vernünftigen Grund“, das Gesetz abzuschaffen. Die Mehrheit von Grün-Rot wird den FDP-Gesetzentwurf deshalb ablehnen.