Stuttgart. Mit den Stimmen der Koalition hat der Landtag heute die Einführung eines regelmäßigen Berichts über Armut- und Reichtum im Land beschlossen. Er soll bestehendes statistisches Material bündeln und konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik liefern. Von dem Bericht erhofft sich die Landesregierung ebenfalls eine Wirkungsanalyse bestehender sozial- und finanzpolitischer Instrumente zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut. Die Opposition lehnt den Bericht als „teuren und unnützen Zahlensalat“ ab.
Bei der Betrachtung realer Armut in Baden-Württemberg herrschte zwischen den Parteien Uneinigkeit. CDU und FDP betonten, dass Baden-Württemberg bei Bildung, Arbeitslosigkeit und Einkommen deutschlandweit mit an der Spitze stünde. „Die Gefahr für Armut ist in Baden-Württemberg am geringsten“, bilanzierte Thaddäus Kunzmann (CDU). Ferner seien die Ursachen für Armut allgemein bekannt. Entsprechende Berichte gebe es landes- und bundesweit.
Dagegen betonte die Koalition die Notwendigkeit einer Armutsberichterstattung. Man könne das Thema Armut nicht einfach negieren und lediglich auf den Kostenfaktor hinweisen, der überschaubar sei. Außerdem sei es nicht richtig, lediglich die Kosten von sozialen Leistungen zu kritisieren. Ebenfalls müsse man sich ihre positiven Effekte vor Augen führen, die zu einer verbesserten sozialen Mobilität führten, sagte Thomas Poreski (Grüne).
Grüne und SPD zeigten sich besorgt, dass es im reichen Baden-Württemberg Armut gebe, die es aufgrund der sozialen Sicherungssysteme eigentlich nicht geben dürfte. Besonders die Kinderarmut gelte es zu bekämpfen.
Laut Rainer Hinderer (SPD) ist jeder Siebte im Land von Armut gefährdet. Gerade in Deutschland wachse die Schere zwischen arm und reich, während die Mittelschicht schrumpfe.
„Mit dem Bericht setzten wir Inhalte aus dem Koalitionsvertrag und die Forderungen von Kirchen und Sozialpartnern um“, sagte Hinderer. Er machte deutlich, dass man weder eine Neiddebatte anstoßen wolle, noch auf eine paternalistische Versorgungspolitik abziele. Die Landesregierung wolle eine weitere Spaltung der Gesellschaft verhindern, die zu sozialen Unruhen führen könne, sagte Poreski.
Von dem Expertenbericht erwartet man sich „die ungeschminkte Wahrheit“, von der man Handlungsempfehlungen ableiten könne. Dabei ginge es nicht bloß um finanzielle Armut, sondern ebenfalls um die soziale, kulturelle und gesundheitliche Benachteiligung von Menschen und den Zusammenhang zwischen Armut und Reichtum, so Hinderer.
Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) reagierte empört auf den Vorwurf der Opposition, man beschreibe lediglich Armut und listete entsprechende Programme der Landesregierung auf, die Armut und Arbeitslosigkeit bekämpften. Altpeter betonte, dass Armut die Kinder nicht dauerhaft in ihren Entwicklungschancen beeinträchtigen dürfe. „Die Einführung eines Berichts war überfällig“, so die Politikerin. Dieser sammle und bündle verschiedene Informationen und liefere somit ein umfassendes Datenmaterial, auf dem politische Programme aufbauen könnten. Außerdem werde so eine gesellschaftliche Diskussion angestoßen.
Die Opposition kritisierte den hohen finanziellen und bürokratischen Aufwand, der in Nordrhein-Westfalen rund 320 000 Euro verschlingen würde. Das Geld für eine bloße Beschreibung für Armut sollte sinnvoller in Projekte investiert werden. „Die Regierung will Armut beschreiben, die CDU will sie bekämpfen“, hieß es.
Jochen Haußmann (FDP) betonte das liberale Gut der Verantwortungskultur. Nur über ein gesundes Wirtschaftswachstum könnten soziale Transferleistungen erwirtschaftet werden. Daher sei kein Bericht notwendig sondern eine vernünftige Bildungs- und Wirtschaftspolitik sowie eine bessere Kinderbetreuung. Kunzmann warf den Grünen vor, sich mehr für Aeine Alimentierung von Armen einzusetzen als für neue Jobs: „Sie ersetzen konkrete Hilfen durch bloße Verheißungen. Mit ihren bildungspolitischen Experimenten gefährden sie den Erfolg Baden-Württembergs.“