Stuttgart. Verkehrsminister Winfried Hermann hat in der von der AfD beantragten aktuellen Debatte zur Luftqualität „Wann kommt das Rauchverbot auf den Straßen in Baden-Württemberg versus irrsinnige Grenzwerte?“ zu grundsätzlichen Ausführungen über den „Charakter der Vorsorge“ genutzt. Der Grüne verteidigte nicht nur die auch von der FDP inzwischen massiv problematisierten Standorte von Messstationen als „vielfach überprüft und rechtskonform“, sondern ebenso die geltenden Grenzwerte. Als einziger Redner schlug er den Bogen zum Rauchverbot, denn das zeige doch gerade, dass „für sich selber jeder einzelne eine Risikoabschätzung machen kann, für Dritte aber der Staat eintreten muss“. Deshalb gebe es Rauchverbote in Schulen, in Gaststätten oder öffentlichen Gebäuden.
Bernd Gögel begründete für die AfD eine prinzipielle Ablehnung aller Einschränkungen für Dieselfahrzeuge. In nur fünf Wochen „sollen Fahrverbote greifen, die dann circa 30.000 PKW in der Stadt und 100.000 Fahrzeuge im Umland betreffen“, stellte Gögel fest. Auf dem Rücken der Bürger feierten die Grünen „ihr ideologisches Fest“. Politik werde nur für eine „überemotionalisierte urbane Wohlfühlklientel“ gemacht. Der Umgang der Grünen mit dem Verbrennungsmotor sei „eine Neuauflage der mittelalterlichen Hexenjagd“. Gögel erinnerte allerdings auch daran, dass die „willkürlichen Grenzwerte, die grüne Gleichmacherideologen heute als Lieblingswaffe gegen den Individualverkehr einsetzen“, im Europaparlament 2011 auch mit den Stimmen von CDU und FDP beschlossen worden seien.
Hermann versuchte die von der AfD aufgeworfenen Parallelen zum Rauchen zu erläutern. „Es gibt sogar Kettenraucher, die wurden sehr alt“, so der Verkehrsminister, der an einen Altkanzler erinnerte, der „sogar im Fernsehen eine Zigarette nach der anderen rauchen durfte“. Aus dem von Helmut Schmidt erreichten Alter sei "aber nicht schließen, dass Rauchen empfehlenswert ist“. Die Schadstoff-Grenzwerte seien in einem langen Prozess von Hunderten Wissenschaftlern erarbeitet worden. Wenn jetzt einige die Sinnhaftigkeit bezweifelten, sage das wenig aus, denn: „Sie finden auch Wissenschaftler, die sagen, Rauchen sei nicht schädlich.“ Ihn störe, dass gerade die Partei, die sonst so sehr für Sicherheit und Ordnung sei, in Umweltfragen an Sicherheit, Ordnung und funktionierendem Rechtsstaat nicht interessiert sei.
Für die CDU problematisierte auch der Sinsheimer Abgeordnete Albrecht Schütte Messstationen und Grenzwerte. Letztere seien in Europa „gewürfelt“ worden und „können nicht einmal geschätzt genannt werden“. Zugleich bekannte er sich zu den gefällten Urteilen, allerdings sei es "in einer Demokratie auch erlaubt, Urteile zu hinterfragen“.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Jochen Haußmann, der den „AfD-Klamauk“ kritisierte, ortete daraufhin „einen Dissens zwischen den Koalitionspartnern“. In der Sache verlangte er unter anderem eine Überprüfung der Standorte von Messstationen. Es sei „schlicht unverhältnismäßig, wenn zwei verkehrsnahe Messstationen in Stuttgart den neuen Maßstab zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten einhalten und dennoch der grüne Verkehrsminister das komplette Stadtgebiet von Stuttgart sperren will“.
Der Liberale beschrieb zudem einen Einzelfall, die fünfköpfige Familie eines Kinderarztes in Stuttgart, die ins Remstal gezogen war. Er habe den Verkehrsminister angeschrieben, aber eine Antwort bekommen, die jedes „soziales Gewissen“ vermissen lasse, denn Ausnahmeregelungen für derartige Fälle seien ausgeschlossen. Minister Hermann forderte Haußmann auf, konkret zu sagen, welche Messstationen kritisiert würden. Gerade die Anlage am Neckartor sei „nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aufgestellt worden, sondern in der Verantwortung einer CDU/FDP-Landesregierung“.
Der Grüne Hermann Katzenstein beklagte, dass der Landtag bereits drei Mal alle Details zu Grenzwerten, Messstationen und Fahrverboten diskutiert habe, dass bei der AfD aber nicht hängen geblieben sei. „Die Grenzwerte zur Luftreinhaltung basieren auf der Auswertung umfangreicher internationalen Studien und zum Glück nicht auf der Meinung einzelner“, so der Grüne. Es handle sich um Vorsorgewerte, man habe „nicht nur gesunde Erwachsene im Blick, sondern auch besonders Schutzbedürftige wie Kinder, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Vorerkrankungen oder Schwangere“. Sie sein europäisch festgelegt und durch die Bundesregierung in nationales Recht umgesetzt, an welches die Bundesländer gebunden sind: „Wir als Landesparlament haben doch gar keine die Kompetenz, diese Grenzwerte in Frage zu stellen“.
Ramazan Selcuk (SPD), der wissenschaftspolitische Sprecher seiner Fraktion, verlangt dennoch Maßnahmen der Landesregierung. „Schätzungsweise 500.000 Fahrzeuge in der ganzen Region betroffen. Grüne und CDU könnten aber „keine wirklichen Lösungsvorschläge bieten“ Und das, obwohl diese Einschränkungen „bereits ab dem 1.Januar 2019 gelten, also in 34 Tagen, oder in weniger als 816 Stunden“.