Stuttgart. Gymnasiallehrer, die an der neuen Schulart Gemeinschaftsschule unterrichten, müssen länger arbeiten. Im Gegensatz zu ihren Kollegen an den Gymnasien, für die eine wöchentliche Unterrichtsverpflichtung von 25 Wochenstunde gilt, stehen die Gymnasiallehrer in Gemeinschaftsschulen an 27 Stunden pro Woche in den Klassen. Dies sieht die neue Arbeitszeitregelung der beamteten Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg vor, die der Landtag am Mittwoch mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von Grünen und SPD verabschiedete. Für alle Lehrer an Gemeinschaftsschulen, egal ob sie für das Lehramt an Grund- und Hauptschule, Realschulen oder Gymnasien ausgebildet wurden, gilt einheitlich die Unterrichtsverpflichtung von 27 Stunden.
Die übrigen Unterrichtsstunden an Grundschulen (28 Wochenstunden), Haupt- und Werkrealschulen (27), Realschulen (27), Sonderschulen (26) und Gymnasien (25) blieben unverändert. Neu ist die Regelung der Unterrichtsverpflichtung in einer Rechtsverordnung statt der bisherigen Verwaltungsvorschrift; dies hatte das Bundesverwaltungsgerecht in einem Urteil gefordert.
Kultusminister Andreas Stoch (SPD) begründete die Verabschiedung mit dem Hinweis, dass sonst der rechtliche Zustand für die Gemeinschaftsschulen im neuen Schuljahr gefehlt hätte. Er wertete die Entscheidung, dass auch die fürs Gymnasium ausgebildeten Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen 27 Stunden unterrichten müssen, „als gerechter Ausgleich für alle dort tätigen Lehrkräfte“. An den anderen Wochenstunden sei nicht gerüttelt worden, obwohl eine Erhöhung der Arbeitszeiten für Lehrer einen wirkungsvollen Effekt im Landeshaushalt gebracht und den Personalkostenanteil von 87 Prozent am Bildungsetat gesenkt hätte.
Die Opposition stimmte der Verordnung nicht zu. Die Regierung messe bei den Gymnasiallehrern mit zweierlei Maß, seine Fraktion akzeptiere die Arbeitszeit-Erhöhung „durch die Hintertür“ nicht, kritisierte Georg Wacker (CDU). Außerdem wandte er sich gegen die Verschiebung der Altersermäßigung für Lehrer um zwei Jahre; sie beginnt jetzt mit 60 Jahren statt wie bisher mit 58 Jahren. Dies sei fachlich und sachlich nicht gerechtfertigte, urteilte der frühere Kultus-Staatssekretär. „Die Rechtsverordnung ist nicht zukunftsweisend“, konstatierte Wacker.
Auch der liberale Bildungsexperte Timm Kern und seine FDP-Fraktion verweigerten die Zustimmung. Die Arbeitszeit-Ermäßigung werde in „problematischer Weise“ neu geregelt. Aus seiner Sicht hatte diese in Monats-Schritten wie bei der gesetzlichen Rente erfolgen müssen. Außerdem sieht Kern eine „Gerechtigkeitslücke“ im Sonderschulbereich. Er schlug auch vor, bei Lehrkräften im Pensionsalter zum „freiwilligen Weitermachen“ zu werben.
Abgeordnete der Regierungsfraktionen lobten dagegen die Verordnung. Die Arbeitszeiten der Lehrer seien nicht erhöht worden, sagte Sandra Boser (Grüne). Sie begrüßte es, dass an gleichen Schularten alle Lehrer gleich lang arbeiten; dies sei auch an den Berufsschulen der Fall. Die Angriffe der CDU zur Altersermäßigung wies die Grünen-Bildungsexpertin zurück: Schließlich habe die CDU vor Jahren diese von 55 auf 58 angehoben. Grün-Rot aber kürze nicht die, sondern verschiebe die Ermäßigung lediglich um zwei Jahre. Die neue Landesregierung habe außerdem die Prävention und Gesundheitsvorsorge für Lehrer ausgebaut.
Klaus Käppeler (SPD) wertete die neue Verordnung als Fortschreibung der bisherigen Vorschrift. Die Arbeitszeit der Lehrer werde nicht verändert, eine doppelte Privilegierung von Gymnasiallehrern an Gemeinschaftsschulen sei nicht einzusehen. „Sie verdienen deutlich mehr Geld, warum sollen sie dann auch noch weniger arbeiten?“, fragte er ins Plenum. Vielmehr zeige die aktuelle Bewerberlage die „hoch attraktive Stellung der Gemeinschaftsschule auch bei Gymnasiallehrern“. Auch die Verschiebung der Altersermäßigung nach hinten hält Rektor Käppeler wegen des späteren Pensionsalters für gerechtfertigt.