Stuttgart. Wirtschaftspolitik hat nach Ansicht von Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) einen hohen Stellenwert auch für die Zukunft von Baden-Württemberg. Gerade deshalb sei es wichtig, dass die Wirtschaft durch „ein eigenes Ministerium“ – das von ihr geleitete Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – eine gewichtige Stimme habe und die Rahmenbedingungen im Land wirtschaftsfreundlich gestaltet würden, sagte die Ministerin am Mittwochabend in der zweiten Lesung des Einzelplans 07 des Staatshaushaltplans. Dieser umfasst 972,4 Millionen Euro im nächsten Jahr und 905,7 Millionen Euro im Jahr 2019.
Bei den Beratungen nannte Hoffmeister-Kraut die wichtigsten Vorhaben der kommenden Jahre. Neue Produkte in einer digitalisierten Wirtschaft, weiterführende Dienstleistungen und veränderte Geschäftsprozesse sollen Baden-Württemberg weiterhin in der internationalen Spitzenklasse halten. Dabei denkt die Ministerin ebenso an den Paradigmenwechsel in der Autoindustrie vom Automobil zur Dienstleistung Mobilität wie an das Potenzial von Start-Up-Unternehmen. Auch das aus ihrer Sicht erfolgreiche Landesarbeitsmarktprogramm will die Politikerin fortführen. Weitere Schwerpunkt seien die Sicherung von Fachkräften, eine wirksame Arbeitsmarktpolitik, die Förderung internationaler Wirtschaftsbeziehungen sowie eine effiziente Wohnraumförderung.
Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie stehen dem Wirtschaftsministerium 71 Millionen Euro zur Verfügung. Die Landesinitiative Elektromobilität III wird mit 12 Millionen Euro gefördert. 228 Millionen Euro umfasst die Technologie- und Innovationsförderung in den beiden kommenden Jahren. Sie arbeite auch eng mit den Kammern zusammen, versicherte die Ministerin. 14 Millionen Euro stehen für das Inkubationsprogramm bereit, weitere 20 Millionen für das Wagniskapital und 5 Millionen für die Kampagne „Start-up BW“. Insgesamt 71 Millionen umfassen die Mittel für die Fachkräftesicherung. Trotz rückläufiger Bundesmittel werde auch das Landeswohnraumförderungsprogramm mit 250 Millionen Euro in 2018 und 2019 auf dem Niveau dieses Jahres fortgesetzt.
Abgeordnete der Regierungsfraktionen bewerteten die Arbeit des Wirtschaftsministeriums positiv. Grün-Schwarz begreife in der Wirtschaftspolitik den Wandel als Chance, sagte Andrea Lindlohr (Grüne). Es müsse gelingen, den Umbruch in der Automobilindustrie erfolgreich zu gestalten, weil er den Wohlstand im Land begründe. Der Strategiedialog habe die sechs Säulen Produktion, Vertrieb, Energie, Digitalisierung, Verkehrslösungen und Forschung; sechs Ministerien seien federführend. Als weitere Schwerpunkte nannte die Grünen-Abgeordnete die Themen „Gründerinnen und Gründer“, „Start-up“ und „Handwerk 2025“. Für die gute Kampagne „Frauen im Handwerk“ seien 200 000 Euro eingeplant. Stolz sei sie auch auf das Wohnungsbauprogramm: „Das Beste, das wir je hatten.“ Und nachhaltiges Wirtschaften solle das Markenzeichen des Landes werden.
Auch Claus Paal (CDU) war voller Euphorie. „Vollgas“ gebe der Einzelplan 07 für eine moderne, innovative Wirtschaftspolitik, für mehr Technologietransfers und Digitalisierung, für Start-ups, für die Elektromobilität, für Innovationen und zukunftsträchtige Ideen, für Wohnraumförderung, für Fachkräfte sowie für berufliche Aus- und Weiterbildung, für Arbeitnehmer, für kleine und mittelständische Unternehmer, für das Handwerk und die Konzerne. „Wir zünden ein wirtschaftspolitisches Feuerwerk“, konstatierte Paal. Bewährtes werde fortgeführt und Neues begonnen.
Kritik kam von der Opposition, deren zahlreiche Änderungsanträge schon im Finanzausschuss und auch im Plenum abgelehnt wurden. Die AfD hatte die Übernahme der Kosten für Meisterausbildung beantragt; ein Studium sei kostenlos, ein Meister müsse seine Ausbildung teilweise aus eigener Tasche bezahlen, begründet Carola Wolle den Antrag. Die AfD ist auch für eine Senkung der Grunderwerbssteuer von 5 auf 3,5 Prozent sowie für die Rücknahme „unsinniger Vorschriften“ in der Landesbauordnung. Seit 1990 hätten sich die Bauvorschriften von 5000 auf 20 000 vervierfacht, Baukosten seien dadurch seit 2000 um fast die Hälfte gestiegen. Die Wohnraumnot sei hausgemacht. Zudem würden Hoteliers und Gastronomen zu Investitionen genötigt, die teilweise ihren finanziellen Rahmen sprengten.
Boris Weirauch (SPD) warf der Ministerin und Grün-Schwarz vor, Geld nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, und keine Konzepte zu haben, um die berufliche Weiterbildung im Land wirklich wesentlich voranzubringen. Ein SPD-Antrag zur Förderung Gerinqualifizierter sei abgeschmettert worden. Dennoch halte seine Fraktion an einem Weiterbildungsfonds fest. Die Regierung tue sich offenbar schwer, die Arbeitnehmer-Interessen im Blick zu behalten. In Arbeitnehmerfragen habe diese Landesregierung „einen blinden Fleck“. Weirauch forderte auch die Aufstockung der Mittel für Wohnraumförderung, das Land solle zudem eine Landesentwicklungsgesellschaft gründen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Angesichts von 88 000 fehlenden Wohnungen im Land forderte auch Gabriele Reich-Gutjahr (FDP), Kostentreiber in der Landesbauordnung zu beseitigen, die Empfehlungen der Wohnraumallianz umzusetzen und ein Konzept zur Ertüchtigung sogenannter Problemimmobilien aufzulegen. Außerdem sei der schnelle flächendeckende Ausbau des Glasfasernetzes und des Mobilfunks die wichtigste Aufgabe, gerade für Unternehmen. Die Liberale forderte ein neues Arbeitszeitgesetz, die Novellierung des Bildungszeitgesetzes sowie rechtliche Rahmen für digitale Geschäftsmodelle. „Machen Sie eine Wirtschaftspolitik, die uns schneller macht. Bauen Sie Hürden ab!“, forderte sie die Ministerin auf. Gute Wirtschaftspolitik koste nicht viel. Unternehmen stöhnten unter „ganz banalen Sachen“ wie Bürokratieaufbau, Auflagen wie Brandschutz, Mindestlohnaufzeichnen oder langsame Genehmigungsverfahren, die die Umsetzung von Vorhaben verzögern oder verhindern.