Fraktionen loben Arbeit der Tafeln im Land

08.03.2018 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Die Landesregierung und die fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben ausnahmslos die Arbeit der Tafeln in Baden-Württemberg gelobt. Die Regierung schätze das hohe Engagement der sehr wertvollen Arbeit der Tafeln, sagte Sozialstaatssekretärin Bärbl Mielich (Grüne) am Donnerstag in der von der AfD-Fraktion beantragten aktuellen Debatte „Die Tafel – eine deutsche Erfolgsgeschichte auch in Baden-Württemberg?“. Gleichzeitig erklärte Mielich, dass sie die ihr vom Landesverband der Tafel in Baden-Württemberg angetragene Schirmherrschaft übernehmen werde.

Die 145 Tafeln im Südwesten und 934 Tafeln mit mehr als 2100 Tafelläden in Deutschland seien eine Erfolgsgeschichte und „wertvolle Institution“, urteilte Rainer Podeswa (AfD). Er dankte den 60 000 ehrenamtlichen Helfern, die rund 1,5 Millionen bedürftige Berechtigungskarteninhaber versorgen. Dass jedoch fünf Millionen Bürger auf Lebensmittelspenden angewiesen sind, nannte Podeswa „einen Skandal“ und ein „unglaubliches Staatsversagen“. 13 Millionen Bürger seien direkt von Armut betroffen; jedes Jahr würden es mehr, so dass es „noch viel Potenzial für die Tafelläden gibt“. Die Essener Tafel, die einen Neuaufnahmestopp für Ausländer verhängt hat, hat nach Ansicht Podeswas „richtig gehandelt“. Auch in baden-württembergischen Tafelläden würden viele deutsche Bedürftige wegen des gestiegenen Ausländeranteils wegbleiben.

Daniel Lede Abal (Grüne) wäre es „lieber“, wenn man die Tafeln nicht bräuchte. Sie würden Defizite des sozialen Netzes zeigen. „Aber Gottseidank gibt es sie“, sagte der Grüne. Sie seien nicht nur Anlaufstelle für Lebensmittelkäufe, sondern auch Orte der Kommunikation. Allerdings dürften sie „nicht fester Bestandteil des Sozialsystems“ werden.

Grüne kritisieren Vorgehen der Essener Tafel

Zu den acht Grundsätzen der Tafeln gehöre, dass allen Menschen geholfen werde, die bedürftig sind. Deshalb bezeichnete Lede Abal das Vorgehen der Essener Tafel als „Fehler“; er hofft, dass sie revidiert wird. Gleichwohl gebe es Armut in der Gesellschaft, „viele fallen durchs soziale Netz“. Daher trage auch der Landtag Verantwortung, gegen die Armut vorzugehen. Dafür wende das Land Millionen für Förderprogramme zur Arbeit und Beschäftigung auf. Nun sei auch die neue Bundesregierung in der Armutsbekämpfung gefragt.

Niemand freue sich, dass es die Tafeln geben müsse, findet auch Ulli Hockenberger (CDU). Dennoch würden die Tafeln Lebensmittel retten, die sonst auf dem Müll landen würden, und damit armen Menschen helfen: „Bedürftige profitieren davon.“ Tafeln würden beim Kampf gegen Armut helfen, aber auch viel für die Integration von Ausländern tun. „Die Tafeln lösen auch ein Signal an die Bürgerschaft aus“, sagte Hockenberger in Anspielung auf das ehrenamtliche Engagement der vielen Helfer. Die Arbeit der Tafeln sei „wertvoll“, aber kein Ersatz für den Sozialstaat. Deshalb hätten sie Unterstützung verdient.

Trotz Rekordsteuereinnahmen habe die Armut zugenommen, konstatierte Andreas Kenner (SPD). Dies sei im Grund genommen „eine Schande“. Die Anzahl der Kunden der Tafelläden nehme ständig zu. Um die Tafeln überflüssig zu machen, müsste aktiv Armutsbekämpfung betrieben werden.

Kenner forderte, die Nachteile von Familien mit Kindern auszugleichen, armutssichere Löhne, „die bei 12 Euro die Stunde beginnen“, zu zahlen und Rentner vor Armutsarmut zu bewahren. „Es darf nicht sein, dass Erzieherinnen, Krankenschwestern, Altenpflegerinnen, Verkäuferinnen, Friseurinnen oder Mitarbeiterinnen in der Gastronomie 45 Jahre lang arbeiten und dann von ihrer Rente nicht leben können“, sagte Kenner. Armutssichere Renten seien das A und O eines Sozialstaates. Als weiteres Armutsrisiko sieht der SPD-Abgeordnete die stetig steigenden Mieten. Jeder arme Mensch sei einer zu viel.

FDP: Wer sich nicht benehmen kann, hat in einem Tafelladen nichts zu suchen

Jürgen Keck (FDP) dankte den bundesweit mehr als 50 000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in Tafelläden. Auch in Baden-Württemberg seien die seit 1995 auf heute 180 Läden gewachsenen Tafeln ein großer Erfolg. Einzelne Vorkommnisse der jüngeren Zeit dürften jedoch nicht zur Bedienung von Ressentiments benutzt werden. „Klar ist: Wer sich nicht benehmen kann, hat in einem Tafelladen nichts zu suchen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Deutsche oder Ausländer handelt“, stellte der Liberale fest. „Ich fordere, dass von der heutigen Debatte das Signal ausgeht, dass wir den Tafeln im Land ein Ansprechpartner auf Augenhöhe sein wollen, wenn es um Problemanalyse und die Entwicklung von Lösungswegen geht“, sagte Keck.

Die Armutsbekämpfung sei ein zentrales Anliegen der Landesregierung, betonte Staatssekretärin Mielich. Dabei sieht sie die Beschlüsse der neuen Bundesregierung skeptisch. Vor allem Alleinerziehende würden nicht von den Transferleistungen profitieren, prophezeite sie. „Die Erhöhungen bringt denen nichts, die in Armut leben“, weil diese Erhöhungen, wie zum Beispiel das Kindergeld, auf die Sozialleistungen angerechnet würden.

Die Tätigkeit der Tafeln würdigte die Staatssekretärin als „hoch sozialpolitische Arbeit“, da dort nicht nur Lebensmittel ausgegeben würden, sondern die Mitarbeiter den Kunden auch mit Rat und Tat sowie Dolmetscherdiensten zur Verfügung stünden. Mielich räumte auch ein, dass es Spannungsfelder gebe – wie überall, wo Menschen aufeinandertreffen. Hinsichtlich einer geforderten Ehrenamtskarte, wie es sie in Bayern gibt, zeigte sie sich skeptisch. Das Sozialministerin sehe keinen Vorteil davon, zumal der finanzielle Einsatz in keinem Verhältnis zum Nutzen stehe.


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