Stuttgart. Die Abgeordneten debattierten an diesem Mittwoch auf Antrag der SPD-Fraktion darüber, wie die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt bekämpft werden kann. Im Hinblick auf den 101. Internationalen Frauentag an diesem Donnerstag fand im Landtag der dritte Frauenplenartag statt.
Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) betonte in seiner Eröffnungsrede, dass das Land und der Staat die Gleichberechtigung fördern und Benachteiligungen beseitigen wollen. Vor allem in der Arbeitswelt bedeute Gleichberechtigung nicht Chancengleichheit. Frauen erhielten einen geringeren Lohn als ihre männlichen Kollegen, ihre Geschäftsverhältnisse seien deutlich unsicherer. Gerade für ihre Leistung im Bereich der Erziehung und der Pflege von Angehörigen aber auch allgemein fehle es an gesellschaftlicher Anerkennung.
„Es gilt den Verfassungswillen und die Verfassungswirklichkeit in Einklang zu bringen“, forderte Wolf. Das würde die Gesellschaft nicht bloß im wirtschaftlichen Bereich leistungsfähiger machen. Ein verändertes Rollenverständnis sei dafür erforderlich.
Alle Fraktionen waren sich einig, dass eine gravierende Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt bestehe, auch und besonders in Baden-Württemberg. Sabine Wölfle (SPD) führte dies auch auf den „Scherbenhaufen“ zurück, den die schwarz-gelbe Koalition nach knapp 58 Regierungsjahren in Sachen Gleichstellung hinterlassen habe.
Zu oft sei es bei Ankündigungen geblieben, denen keine politischen Taten gefolgt wären, warf Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Grüne) der damaligen Koalition vor. Taten werde die Landesregierung folgen lassen. Das versprach die Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren, Katrin Altpeter (SPD).
In einer Negativliste zählte Wölfe die Punkte auf, die die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt deutlich machten: Geringe Karrierechancen, geringerer Lohn und vermehrt unsichere Arbeitsverhältnisse. „Frauen sind gegenüber Männern und durch Männer in der Arbeitswelt benachteiligt. Das darf so nicht bleiben“, formulierte Wölfe ihren Appell an den Landtag.
In Baden-Württemberg sei der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern mit 28 Prozent bundesweit am Höchsten. Der Anteil von Frauen in der Unternehmensführung sei mit zehn Prozent zu gering. Selbst dort, wo die Beschäftigungsquote von Frauen gut sei, beispielsweise im medizinischen Bereich, spiegele sich das nicht in einer hohen weiblichen Beteiligung in Führungspositionen wider. Wölfe forderte verbindliche Regelungen und Verpflichtungen für Unternehmen. Auch im Öffentlichen Dienst werde die Landesregierung das Thema Chancengleichheit forcieren und das gleichnamige Gesetz novellieren und Kontrollinstanzen einführen.
Das versprach auch Ministerin Altpeter. Mit einer Bundesratsinitiative zum Thema Entgeltgleichheit werde man den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, gesetzgeberisch tätig zu werden und die Unternehmen der Privatwirtschaft zu verpflichten, die Diskriminierung von Frauen zu beenden.
SPD und Grüne werden daher gegen das Ehegattensplitting, das ein falsches Familienbild suggeriere, vorgehen und sich für die Etablierung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro einsetzen. Eine Stärkung der Tarifbindung wird ebenfalls angepeilt. Gleichzeitig gelte es die Angebote der Kinderbetreuung auszubauen und das Elterngeld weiterzuentwickeln. Ebenfalls forderte Wölfe eine Geschlechterquote für Unternehmen.
Ministerin Altpeter machte deutlich, dass gerade die Lohnlücke nicht mehr hinnehmbar sei. Das Credo „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ müsse endlich durchgesetzt werden. Mit dem Rechtsanspruch auf eine U3-Betreuung setze die Landesregierung ein klares Signal. Auch fördere man gezielt Frauen an den Universitäten. Gleichfalls setze sie sich für eine geschlechtergerechte Erziehung ein, die mit dem herkömmlichen Berufsbildern von Mädchen und Jungen aufräumen soll.
Wölfe wurde von der frauenpolitischen Sprecherin der Grünen, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, unterstützt. „Frauen verdienen mehr als sie erhalten“, sagte sie. Zwar gebe es gesetzliche Vorgaben, die einen gleichen Lohn für gleiche Arbeit verbriefen, diese seien aber noch nicht in der Wirklichkeit angekommen. Auch die Grünen sprechen sich für einen Mindestlohn aus und fordern eine Frauenquote. Die Kleinkind- und Ganztagsbetreuung müsse ausgebaut werden und für jede Familie müsse in Wohnortnähe eine Pflegeunterkunft für Angehörige vorhanden sein.
Viel zu oft seien Frauen in Teilzeit beschäftigt, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Denn gerade die Teilzeit führe neben einem geringen Lohn zu Altersarmut, waren sich alle Koalition einig. „Teilzeit ist bisher ein Hemmschuh für die berufliche Karriere bei Frauen“, sagte die Grünen-Parlamentarierin, „Familie darf keinen Bruch in der Erwerbsbiographie darstellen.“ Familienzeiten müssten daher auch die Rente erhöhen. Derzeit liegt die Rentendifferenz zwischen Männern und Frauen bei 42 Prozent, bezifferte Schneidewind-Hartnagel.
Die CDU-Fraktion äußerte sich in der Frage der Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt ähnlich. In den Unternehmen gebe es gerade in den Führungspositionen zu wenig Frauen. In den Aufsichtsräten und Verbänden gebe es ebenfalls zu wenig Frauen.
Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) konterte den Vorwurf des schwarz-gelben Scherbenhaufens mit der Beobachtung, dass von den 154 von der Landesregierung geschaffenen neuen Posten lediglich 49 weiblich besetzt wurden. Bei den 29 Spitzenämtern gebe es lediglich vier Frauen.
Bei den Punkten Altersarmut, prekäre weibliche Beschäftigung und der Forderung nach flexibleren Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Frauen bestand Einigkeit. Ebenfalls beim Ausbau der Ganztagsbetreuung. Gurr-Hirsch betonte, dass Wirtschaft und Wissenschaft die Potentiale von Frauen bereits erkannt hätten, gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel.
Gurr-Hirsch sprach sich für eine familienbewusste Arbeitswelt aus. Die Betriebe müssten gerade für Frauen flexiblere Angebote der Elternzeit anbieten und ihnen eine Rückkehr ins Unternehmen nach einer Familienpause erleichtern. Die Pflege von Angehörigen und Erziehungszeiten müssten sich in der Höhe der Rente widerspiegeln, wie es bereits Grüne und SPD gefordert hatten.
Die CDU-Poltikerin forderte, dass die berufliche Entwicklung von Frauen verstetigt werden müsse. Für Frauen müsste solide Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, raus aus der Teilzeit hin zu sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten. Dabei seien Behörden und vor allem die Unternehmen gefordert. „Die Wirtschaft muss sich mehr einbringen. Es ist keine Zeit mehr für Appelle sondern für wirksame Instrumentarien“, so Gurr-Hirsch. In Eltern- oder Pflegephasen müsse es Fortbildungen für Beschäftigte geben. Dabei wies sie auf die Potentiale von Tele-Arbeit hin.
Jochen Haußmann (FDP) sprach sich ebenfalls für eine Quotenregelung aus, ohne sie genau beziffern zu wollen. „Ich persönlich bin mir sicher, dass eine Quote den Unternehmenserfolg beflügeln würde.“ Sie müsse für die Wirtschaft „annehm- und handhabbar sein“, gerade im Hinblick auf bürokratische Regelungen, die den Mittelstand treffen könnten. Die Quote müsse daher deutlich unter 50 Prozent liegen.
Die Entgeltforderung der Landesregierung sei richtig. Jedoch müsse man für Baden-Württemberg berücksichtigen, dass die berufliche Struktur besonders sei. Gerade die Prämienausschüttung bei Mercedes, die als Beispiel für die Ungleichheit angeführt wurden, erkläre in Teilen die hohe Abweichung bei der Lohnlücke.
Die Unternehmen hätten die Vorteile von weiblichen Beschäftigten in puncto Motivation bereits erkannt. Auch aus unternehmerischer Sicht werde das Thema Gleichberechtigung als Notwendigkeit betrachtet. Eine familienbewusste Personalpolitik sei vonnöten, welche Frauen dauerhafte und existenzsichernede Arbeitsplätze garantiere.
In erster Linie sei es jedoch vor allem wichtig, bestehende Gesetze, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, stärker zur Anwendung zu bringen. Dies sei wichtiger als die Einführung neuer Gesetze und Regelungen.