Scharfe Debatte über Umgang der AfD mit der Presse

30.11.2016 
Redaktion
 

Stuttgart. Justizminister Guido Wolf (CDU) und alle anderen Fraktionen im Landtag kritisierten am Mittwoch die AfD scharf für den Beschluss, die Presse von ihrem Landesparteitag in Kehl vor anderthalb Wochen auszuschließen. Die AfD verteidigte sich mit dem Hinweis auf die demokratisch legitimierte Entscheidung dazu und griff ihrerseits die anderen Parteien sowie die Medien für deren einseitige Berichterstattung an.

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart (CDU) zitierte am Mittwoch eingangs der Debatte über „Freiheitsrechte als wichtiger Eckpfeiler unserer Verfassung – gefährdet Presseauschluss freiheitliche Demokratie“ eine grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1960. Demnach ist „Pressefreiheit die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“. Die AfD, so Reinhart, „wendet sich nun aber ab von diesem Konsens, von dieser demokratischen Normalität“. Anlass für die Debatte war der Ausschluss von Journalisten vom AfD-Parteitag am 19. und 20. November in Kehl, bei dem die Landesliste für die Bundestagswahl erstellt wurde. „Der Ausschluss der kritischen Öffentlichkeit von diesem Ereignis sei „ein Bruch der freiheitlichen politischen Kultur in Baden-Württemberg“. Denn die AfD habe dort ja nicht Privatsachen beraten, „sondern ihre Liste zur Bundestagswahl aufgestellt – eine durch und durch öffentliche Angelegenheit“.  Überhaupt ignoriere und verletze die AfD ständig demokratische Spielregeln.  Sie diffamiere die anderen Parteien als „Kartellparteien“, verhalte sich aber selbst wie ein Kartell – „ein Kartell der Desinformation, der Manipulation und der Ressentiments“. Die CDU dagegen stelle sich dem Wettbewerb der Ideen und dem Ringen um das überzeugendste Argument.

Sckerl sieht bei AfD "gestörtes Verhältnis zur Presse"

Laut Uli Sckerl, stellvertretender Fraktionschef und parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, ist Deutschland in der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation Reporter ohne Grenzen jährlich erstelle, 2016 von Platz 12 auf 16 abgerutscht. „Das lässt aufhorchen“, meinte Sckerl, der mehrere Beispiele aus anderen Bundesländern für unangemessenen Umgang der AfD mit Pressevertretern anführte. Einmal sei ein Journalist bei einer Veranstaltung „unter höhnischem Gelächter hinauskomplimentiert“ worden. Mit dem kompletten Ausschluss der Presse vom Landesparteitag in Kehl sei nun ein „trauriger Höhepunkt“ erreicht worden. Das sei „kein Ausrutscher, es handelt sich um Methode“. Den AfD-Abgeordneten warf er ein „grundlegend gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit“ vor. Dabei sei diese doch „das Lebenselixier unserer Gesellschaft“. Die Bürger hätten auch bei Angelegenheiten der AfD „ein Recht zu erfahren, was sie diskutieren und was die beschließen“.

Vizefraktionchef Bernd Gögel (AfD) verteidigte den Ausschluss der Presse vom AfD-Landesparteitag in Kehl. Diese Entscheidung, nicht nur von einem Gremium, sondern den anwesenden Parteimitgliedern selbst getroffen, sei „grunddemokratisch“. Dadurch hätten diejenigen draußen bleiben müssen, die nur an Skandalisierung interessiert gewesen seien. Im Übrigen sei doch mit der Pressekonferenz im Anschluss an die Aufstellungsversammlung „allen berechtigten Ansprüchen vollauf Genüge getan worden“.  

Den anderen Parteien sowie den Medien machte Gögel seinerseits viele Vorwürfe. Unter anderem hätten im Zuge der Flüchtlingskrise große Teil der Presse „Rechtsbrüche gravierendsten Ausmaßes als vermeintlichen humanen Imperativ beklatscht und sich in moralischem Dünkel zum Richter über ein aufbegehrendes Staatsvolk machen will, von dessen Erträgen sie lebt“. 

Sabine Wölfle (SPD) meinte, fast jeder Abgeordnete habe sich von der Presse schon einmal „falsch zitiert gefühlt“. Gewiss sei das Verhältnis von Politikern und Journalisten „keine leichte Beziehung“.  Gleichwohl sei Pressefreiheit „eine demokratische Selbstverständlichkeit – aber nicht für die AfD“. Wölfle zählte wie zuvor schon Sckerl mehrere Fälle aus anderen Bundesländern auf, in denen die AfD Journalisten überhaupt nicht zu Kreisparteitagen oder Wahlveranstaltungen zugelassen oder missliebige Journalisten des Saales verwiesen habe.

Rülke: Wenn Pressefreiheit stirbt, stirbt auch die Demokratie

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke meinte zur Aufstellungsversammlung der AfD, wer Bundestagsabgeordneter werden wolle, strebe ein öffentliches Amt an. Dann aber „hat die Öffentlichkeit auch ein Recht, sich ein Bild dazu zu machen“. Die AfD kritisiere ständig alle anderen Parteien und behaupte pauschal, diese hätten über 70 Jahre hinweg Hinterzimmerpolitik betrieben. „Was sie an Hinterzimmerpolitik bei einem Parteitag gemacht haben, das haben die von ihnen geschmähten Parteien in 70 Jahren nicht auf dem Kerbholz“. Hätte die angebliche Lückenpresse nicht so viel über die AfD berichtet, säße diese jetzt gar nicht im Landtag, so Rülke.  „Wenn die Pressefreiheit stirbt, dann stirbt auch bald darauf die Demokratie“, sagte Rülke. „Deshalb ist es jetzt an der Zeit, den Anfängen zu wehren!“, betonte Rülke. Die AfD werde, wenn sie nicht aufhöre, die Medien zu diffamieren und brüskieren „es mit dem entschiedenen Widerstand dieses Hauses zu tun bekommen." 

Justizminister Guido Wolf (CDU) hatte ein Exemplar der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Grundrechte und Pressefreiheit dabei. Er zitierte Passagen daraus und meinte, an Abgeordnete der AfD gewandt. „Das sollten Sie sich auch vielleicht zum ersten Mal richtig zu Gemüte führen“.  Bemerkenswert sei Gögels Satz zum Ausschluss der Presse gewesen, „wer skandalisieren wollte, musste draußen bleiben“. Damit so Wolf, „proklamieren Sie Deutungshoheit für sich“. Pressefreiheit sei aber „der wichtigste Indikator, wie demokratisch ein Staat wirklich ist.“ Zurecht habe Camus gesagt, so Wolf: „Die freie Presse kann gut oder schlecht sein. Aber eine Presse ohne Freiheit kann nur schlecht sein."

Der fraktionslose Abgeordnete Wolfgang Gedeon (AfD) sagte, er habe sich entschieden gegen den Ausschluss der Presse vom Parteitag gewehrt. Doch die Debatte darüber, so warf er den Fraktionen der etablierten Parteien vor, sei an „scheinheiliger Phraseologie“ kaum zu überbieten gewesen. „Kehren Sie vor der eigenen Tür! Da haben sie wesentlich mehr zu tun.“


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