Stuttgart. Der Landtag hat mit deutlicher Mehrheit gegen die von SPD und FDP beantragt Entlassung von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) gestimmt. Die Vorsitzenden von SPD und FDP, Andreas Stoch und Hans Ulrich Rülke, hatten zuvor Bauer vorgeworfen, dem Parlament und der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Zulagen-Affäre an der Ludwigsburger Verwaltungshochschule nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU) kritisierten dagegen das Vorgehen der Opposition als "reine Show“. Für die AfD sagte Fraktionschef Bernd Gögel, die Regierung habe „sittlich abgewirtschaftet“ und stecke „bis zur Halskrause im Filz“.
Vor allem Reinhart warf der Opposition Vorverurteilung und Skandalisierung. Und er rückte auch die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ins Zentrum seiner Argumentation. SPD und FDP wollten dessen Ergebnisse nicht abwarten, sondern machten das Parlament „zu einer Art Schaubühne“. Die richtige Reihenfolge sei, erst Beweise zu erheben und dann Bewertungen vorzunehmen. Der Entlassungsantrag sei zwar das gute Recht der Opposition, das zur parlamentarischen Kontrolle gehöre. „Wer aber ein derart scharfes Schwert zur Hand hat, muss verantwortungsvoll damit umgehend“, verlangte Reinhart weiter. Mit der „Inszenierung“ drehe die Opposition mit an der Spirale, die Politiker im öffentlichen Diskurs zu Freiwild mache: „Sie müssen Ihre eigenen Skandalisierungsrituale hinterfragen.“
Zu einem juristischen Disput kam es in der Bewertung des Urteils des Stuttgarter Verwaltungsgerichts, auf das SPD und FDP sich berufen. Das Gericht hatte die Abwahl der ehemaligen Rektorin Claudia Stöckle als unrechtmäßig eingestuft. Der Liberale liest aus dessen Begründung heraus, dass „in der Landesregierung eine Straftäterin sitzt, weil Bauer in dem Urteil als Straftäterin gesehen wird“. Sie habe sich „des Delikts einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht“. Reinhart, selbst Jurist, appellierte an Rülke, der Germanistik, Politik, Geschichte und Soziologie studiert hat, zu „Maß und Mitte“ zurückzukehren, weil er sich der „Gefahr der Falschverdächtigung“ aussetze. Es gehe um schwierige komplexe Rechtsfragen. Die Opposition gehe vor nach dem Motto, irgendetwas werde schon hängen bleiben.
Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) selber ging ans Rednerpult, um Bauer den Rücken zu stärken: „Was Sie hier heute aufführen, ist einfach unseriös.“ Er warb für einen sachlichen Blick auf die Vorgänge an der Hochschule ebenso wie auf die Reaktion im Ministerium und dafür, die Arbeit des Untersuchungsausschusses ernst zu nehmen. Er finde es „im höchsten Maße befremdlich, dass Sie hier ein derartiges Theater veranstalten, anstatt den Untersuchungsausschuss zu nutzen, den doch Sie eingesetzt haben“, so Kretschmann an die Adresse von SPD und FDP. Warum nicht zuerst die Mitglieder der Kommission befragt worden seien, ob sie wie von der Opposition behauptet gelenkt wurden, wollte der Ministerpräsident wissen. Sein Fazit: „Sie haben sich in die Person der Wissenschaftsministerin verbissen, und Sie verzwergen die Hochschulpolitik des Landes.“
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz bezeichnete den Entlassungsantrag ebenfalls als „in der Sache unbegründet“. Es handle sich um ein „durchsichtiges Manöver“ mit dem einzigen Ziel, eine „hochgeschätzte und geachtete Ministerin zu beschädigen“. Und Schwarz erinnerte, an die Forderung des früheren SPD-Fraktionschefs Claus Schmiedel aus dem Jahr 2014, der die jetzt so scharf kritisierte Kommission abgelehnt und von Bauer verlangt hatte, Stöckle sofort zu entlassen. Die Opposition suche verzweifelt nach einem Skandal, von den Vorwürfen bleibe „heiße Luft“.
Eine Einschätzung, die Stoch und Rülke nicht teilen. Der SPD-Fraktionschef begründete das Vorgehen mit einem „dreifachen Fehlverhalten“: Aufgrund der vorsätzlichen Täuschung von Parlament und Öffentlichkeit, aufgrund der groben Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber einer Beamtin und aufgrund der mangelnden Aufklärungsbereitschaft gegenüber Justiz und Landtag müsse Bauer entlassen werden. Rülke entgegnete auch Reinhart. Denn spätestens, wenn das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts rechtskräftig sei, stehe „uneidliche Falschaussage im Raum“.
AfD-Fraktionschef Bernd Gögel arbeitete sich weniger an Bauer als am Regierungschef ab: Die Ludwigsburger Affäre sei „Fleisch vom Fleisch des Systems Kretschmann“, der Ministerpräsident lege fortwährend eine von Ideologie geleitete faktische Unfähigkeit und Selbstgerechtigkeit an den Tag. Die AfD-Fraktion hoffe „inständig, dass die Ministerin hier und heute abgewählt wird“. Für "weit geringere Verfehlungen" hätten in Baden-Württemberg sogar schon Ministerpräsidenten ihren Hut genommen.
Nach lebhafter, über zweistündiger Debatte wurde der Entlassungsantrag abgelehnt. Notwendig gewesen wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit von mindestens 96 Stimmen. „Sie haben von vornherein gewusst", hatte Reinhart zu Stoch und Rülke gesagt, "dass Sie die nie bekommen."