Stoch will Hauptschulabschluss an Realschulen zulassen

16.07.2015 
Redaktion
 

Stuttgart. Die grün-rote Landesregierung setzt ihre Reformen in der Schulpolitik fort. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) brachte am Donnerstag den Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der Realschule in den Landtag ein. Damit soll ein begabungsgerechter Schulabschluss ermöglicht werden:  Neben dem Realschulabschluss nach der zehnten Klasse auch ein Hauptschulabschluss nach Klasse 9.  Nach dem derzeitigen Schulgesetz ist der Hauptschulabschluss bisher Realschülern nur mit einer Schulfremdenprüfung an einer Hauptschule möglich; und nur dann, wenn der Realschüler die neunte Klasse wiederholt hat und versetzungsgefährdet ist.

Grün-Rot stehe für ein Bildungssystem, mit dem Schülern zum bestmöglichen Bildungsabschluss verholfen werden kann, sagte Stoch. Seit der Regierungsübernahme im Jahr 2011 habe ein Wechsel in der pädagogischen Arbeit und Konzeption begonnen, zu dem neben der Einführung der Gemeinschaftsschule auch die Weiterentwicklung der Realschule gehöre, erklärte der Minister.

Er bezeichnete die Realschule als „bewährte und erfolgreiche Schulart“, deren Qualität gesichert werden müsse. Die Gesetzesvorlage ist auch eine Folge rückläufiger Schülerzahlen an Haupt- und Werkrealschulen. Gingen früher noch bis zur Hälfte der Grundschüler auf die Hauptschulen, liegt diese Quote heute unter zehn Prozent. „Auch an den Realschulen gehen die Schülerzahlen zurück“, berichtete Stoch, was nicht nur mit geringeren Geburtenraten zu tun hat, sondern auch mit dem Drang zu höheren Bildungsabschlüssen.

Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6

Zum neuen Konzept der Realschule gehört auch eine Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6, wobei in Klasse 5 kein Sitzenbleiben vorgesehen ist. Mit dem Gesetz werden auch die Grundlagen für Bildungspläne geschaffen; sie sollen die individuelle Förderung der Schüler stärken und die Durchlässigkeit des Schulsystems in Baden-Württemberg erhöhen. Ganztagesschulen an Grundschulen sowie den Grundstufen der Förderschulen sollen zukünftig flexibler auch in der Wahlform sukzessiv aufbauend eingerichtet werden können.

Um die stärkere Individualisierung und Differenzierung zu ermöglichen, stockt das Kultusministerium die Poolstunden an Realschulen von derzeit 2,2 Wochenstunden je Zug im Endausbau auf 10 Wochenstunden auf. Für den ersten Schritt werden 206 Deputate eingesetzt. Auch für die Fortbildung der Pädagogen schafft das Land 35 Deputate und Sachmittel-Zuschüsse von einer halben Million Euro. Dies sei eine Ausstattung der Realschulen „wie noch nie“, sagte Stoch.

Kritik von der Opposition

Timm Kern (FDP) kritisierte den Gesetzentwurf in der ersten Lesung als „Zwangsumwandlungsgesetz“, um die Realschulen ins „ideologische Prestigeobjekt Gemeinschaftsschule“  zu bringen. Von den 271 Gemeinschaftsschulen im Südwesten seien lediglich 25 aus Realschulen hervorgegangen. 409 staatlichen Realschulen seien nicht auf den Gemeinschaftsschulen-Zug aufgesprungen. Deshalb sei das grün-rote Projekt gefährdet. Schulexperte Kern bezeichnete das Gesetz als „hoch riskant und unverantwortlich“.

Auch die CDU traut den Beschwörungen von Grün-Rot nicht, die Realschulen erhalten zu wollen. Georg Wacker (CDU) befürchtet den „sanften Umstieg“ in die Gemeinschaftsschulen, denen „das Wasser bis zum Hals“ stehe. Dabei sei die Realschule für die Absolventen das „Ticket ins Berufsleben“, die Realschüler seien gerade in der Industrie sehr gefragt. Wacker befürchtet, dass dieser hohe Stellenwert durch die Heterogenität der Schüler verloren geht. So hätten sich die Sitzenbleiberzahlen verfünffacht. „Auch die CDU will eine Orientierungsphase“, erklärte der Bildungsexperte, um zusätzliche Differenzierung zu ermöglichen.

Lob von SPD und Grünen

Lob für das Gesetz kam von den Grünen und der SPD. „Wir wollen Gemeinschaftsschule und Realschule nicht gegeneinander ausspielen“, beteuerte Sandra Boser (Grüne). Die Entscheidung über die Ausrichtung müssten die Schulen vor Ort treffen und nicht die Landesregierung. Boser erwähnte die Unterstützung der Realschulen durch zusätzliche Lehrerstellen und Poolstunden. Die Realschule sei zu Zeiten der Vorgängerregierung  die einzige Schulart gewesen, die nicht von Poolstunden profitiert habe, obwohl dort schon immer die Heterogenität am größten gewesen sei.

Auch Klaus Käppeler (SPD) brach eine Lanze für die Realschule. „Sie liegt der SPD am Herzen“, sagte der frühere Schulleiter, und fügte an: „Sie ist seit Jahren eine tragende Säule unseres Schulsystems.“ Mit dem Gesetz gebe man der Schulart das Rüstzeug für neue Herausforderungen und schaffe einen „Weg zu Chancengleichheit“. Im Zwei-Säulen-Modell der grün-roten Schulpolitik stehe das Gymnasium auf der einen und die Gemeinschaftsschule und die weiter entwickelte Realschule auf der anderen Seite.


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