Stuttgart. „Handlungen im Landschaftsschutzgebiet, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen können, bedürfen der schriftlichen Erlaubnis.“ So stand es seit 16. Dezember 1980 in der Verordnung über das Natur- und Landschaftsschutzgebiet „Wollmatinger Ried – Untersee – Gnadensee“. Bis Mittwoch.
Dann verabschiedete die grün-schwarze Landtagsmehrheit das Gesetz zum Abbau verzichtbarer Formerfordernisse. Nun ist die Verordnung zwei Wörter länger geworden. Nach dem Wort „schriftlichen“ wurden die Wörter „oder elektronischen“ eingefügt.
Sprich: Eine E-Mail reicht. Und dies gilt nicht nur für die Verordnung über das Natur- und Landschaftsschutzgebiet „Wollmatinger Ried – Untersee – Gnadensee“. sondern auch für 88 weitere Vorschriften, die bislang die Schriftform vorschrieben. Etwa das Landesseilbahngesetz. In 17 Fällen entfällt jegliche Schrifterfordernis. Und eine Regelung wurde komplett gekippt – von 1405, die das Innenministerium untersucht hat.
Die Opposition hätte sich ein mutigeres Vorgehen gewünscht. Rainer Stickelberger (SPD) zog angesichts von Beispielen wie dem Wollmatinger Ried – das sein Vorredner, der CDU-Abgeordnete Ulli Hockenberger, gar nicht kannte – die Relevanz der Änderungen in Zweifel. So werde ein spürbarer Bürokratieabbau nicht erreicht. Außerdem könnten die Behörden entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie elektronische Zugänge ermöglichen.
Genau dies hätte Daniel Karrais (FDP) gerne geändert. Die Behörden sollten gezwungen werden, einen elektronischen Zugang anzubieten. „Manchmal braucht man eben auch eine Regel, damit man etwas vorantreiben kann.“
Grün-Schwarz versagte diesem Vorschlag die Zustimmung. Innenminister Thomas Strobl (CDU) begründete dies damit, dass nicht alle Bürger mit der Verwaltung auf elektronischem Weg in Kontakt treten wollten oder könnten. Deshalb bestehe „aus unserer Sicht kein Bedarf“ für eine Pflicht, von Seiten der Behörden elektronische Kommunikation zu nutzen und anzubieten. Andreas Lede Abal (Grüne) und Hockenberger verwiesen darauf, dass diese Regel weitere Bürokratie mit sich brächte.
Die beiden Redner der Regierungsfraktionen räumten gleichwohl ein, dass das Gesetz nur ein erster Schritt zum Bürokratieabbau sei. Zum Vergleich: Im Arbeitsprogramm Bürokratieabbau, das sich die Landesregierung 2019 gegeben hat, steht, dass in vier Prozent der 1405 Regelungen die Schriftform ersatzlos entfallen könne. In weiteren 30 Prozent der Fälle könne sie durch ein elektronisches Verfahren ersetzt werden.
Auf das Missverhältnis zwischen dieser Ankündigung und dem Gesetz, das lediglich 107 von 1405 Vorschriften ändert, wies auch Daniel Rottmann (AfD) hin. „Obwohl nun wirklich jeder und alle über Bürokratie stöhnen, gelingt es auch unter Einsatz, aller Entbürokratisierungsbeauftragten nicht, Formerfordernisse in nennenswertem Umfang zu reduzieren.“ Außerdem kämen immer wieder neue Anforderungen hinzu. Rottmann riet der Landesregierung, sich an Österreich ein Vorbild zu nehmen, wo im Jahr 2018 alle nicht mehr benötigten Gesetze gestrichen worden seien, die vor dem Jahr 2000 in Kraft traten.