Stuttgart. Am Ende September hatte CDU-Fraktionschef Guido Wolf in der gemeinsam mit der SPD beantragten Landtagsdebatte zur Flüchtlingspolitik seine „ehrliche Absicht“ erklärt, angesichts der großen Herausforderung ein „besonders und überparteiliches Signal zu setzen“. Am Donnerstag warf der CDU-Spitzenkandidat für die anstehenden Landtagswahlen in einer emotionalen Rede Grün-Rot vor, in Fragen der Zuwanderungsbegrenzung nicht ausreichend schnell zu handeln. Und er griff Ministerpräsident Winfried Kretschmann persönlich an. „In Berlin geben Sie den Kanzlerinnenversteher und in Baden-Württemberg den grünen Ideologen.“
Wolf begründete seinen Stimmungswandel, damit, dass das Asylpaket von Bund und Ländern bereits seit fünf Wochen verabschiedet sei, dass es aber konkret Land keine Auswirkungen habe. Vielmehr gebe es Bilder, „die jeden Tag kommen“, die eine Entwicklung zeigten, „die unsere Gesellschaft überfordert“. Die Grünen stünden für „Das Boot ist nie voll“, die CDU dagegen wolle die Zuwanderung begrenzen. Kretschmann sei in der Pflicht, endlich das Paket aus Berlin „mit Leben zu erfüllen“. Auch der FDP-Abgeordnete Andreas Glück beklagte in der von vielen Zwischenrufen unterbrochenen Debatte, wie wenig im Land geschehe, um die Situation zu meistern. „Das Boot ist spätestens dann voll, wenn die Bereitschaft unserer Bevölkerung Flöten geht, Menschen aufzunehmen“, sagte der Liberale. Deutschland fühle sich überrannt, die Politik versage in den Augen vieler Menschen.
Abgeordnete von Grünen und SPD warfen der Opposition vor, nicht mehr nach Gemeinsamkeiten suchen zu wollen. „Es wäre schön, Sie würden konstruktiv mit uns reden, statt sich in Polemik zu ergehen“, so SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Wolf habe weder „die Dimension der Herausforderung noch das Asylpaket verstanden“, denn das sei überhaupt erst seit fünf Tagen in Kraft. Der Grünen-Migrationsexperte Daniel Lede Abal („Ich bin ein Produkt der Zuwanderung“) warf Wolf vor, überhaupt nichts mehr zur Lösung beitragen zu wollen. Vielmehr habe der CDU-Fraktionschef eine „Bewerbungsrede für das Kabinett Seehofer gehalten“.
Zur Versachlichung der Auseinandersetzung trug Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) bei, die in großer Ruhe Punkt für Punkt die Umsetzung neuer Maßnahmen im Land erläuterte. Alle, Haupt- und Ehrenamtliche, die Verwaltung, die Kreise, Kommunen, die jungen Soldaten, die zur Hilfe eingesetzt seien, „legen einen gewaltigen Kraftakt ohne Pause hin, und dann kommt die Opposition und fragt nach Umsetzung“. Sie habe die Antwort: „Die Umsetzung läuft.“ Von neuen Impfschutz-Regelungen bis zum bundesweit vorbildlichen Registierungszentrum in Heidelberg, von der Gesundheitskarte über den Einsatz ausländischer in Begleitung von deutschen Ärzten bis zum Ausbau der Sprachförderung beschrieb Öney Details des Alltags vor Ort. „Das passiert alles während wir hier sprechen“, so die Ministerin, die sich ausdrücklich auch zur Notwendigkeit bekannte, Menschen ohne Bleiberecht rückzuführen oder abzuschieben.
Letzteres wollte Wolf nicht akzeptieren. „Sie tun so, als könnten Sie auf Abschiebungen verzichten“, sprach der CDU-Fraktionschef Öney direkt an und schickte auch noch eine persönliche Kritik hinter her: Denn bei ihren Reden im Parlament sei „der Funke noch nie übergesprungen“.