Stuttgart. Baden-Württemberg will die rote Laterne als Schlusslicht der Bundesländer in Sachen Windenergie abgeben. In der von der CDU-Fraktion beantragten Aktuellen Debatte zu „Zielen und Folgen des Ausbaus der Windkraft“ im Südwesten kündigte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) heute im Landtag an, dass er in den kommenden Wochen mit den Planungsträgern vier Regionalkonferenzen im Land ausrichten wird, um in Diskussionen mit den Entscheidungsträgern vor Ort weitere Vorschläge für das von der grün-roten Landesregierung geplante Landesplanungsgesetz zu erhalten.
„Ich habe keine Angst, dass wir einen Wildwuchs bekommen werden“, entgegnete Untersteller auf Befürchtungen aus der CDU- und FDP-Fraktion. Bis Jahresende will der Minister einen Windenergie-Erlass herausbringen, der für alle — auch für die Genehmigungsbehörden — mehr Planungssicherheit bringt und der klare Vorgaben und klare Leitplanken enthält. Nach Angaben von Alexander Schoch (Grüne) will die Landesregierung bis 2020 rund zehn Prozent des Strombedarfs mit heimischere Windkraft decken. Momentan beträgt die installierte Leistung 467 Megawattstunden. Dieser Anteil soll bis 2020 auf 3600 MW gesteigert werden.
Schoch sagte, durch die Änderung des Landesplanungsgesetzes würden die einschränkenden Regionalpläne aufgehoben: „Ausschlussgebiete wird es nicht mehr geben.“ Ziel sei es, Anlagen zu konzentrieren und den Kommunen mehr Entscheidungskompetenzen zu geben. Natürlich werde man die Windanlagen sehen, man könne sie nun mal nicht im Keller aufstellen. „Sie sollen als Symbol auch weithin sichtbar verkünden: In Baden-Württemberg weht ein anderer Wind. Da dreht sich was“, sagte der Grünen-Abgeordnete. Das Landschaftsbild werde und müsse sich anpassen. Denn Wind sei kostenlos und natürlich. Zudem blase er das ganze Jahr und dürfe daher nicht verteufelt werden.
Für die CDU-Fraktion kritisierte Paul Nemeth, dass die neue Landesregierung sich bloß um Windkraft kümmere; er vermisse das Bürgerprojekt Energie auf der ganzen Breite. Baden-Württemberg werde zum Stromimportland, wenn sich Grün-Rot nicht um genügend und bezahlbare Energie kümmere. „Ohne neue Netze und Speicher wird die Energie-Wende nicht gelingen“, erklärte Nemeth. Der Regierung warf er vor, durch die öffentlichen Äußerungen zur landeseigenen EnBW dem Unternehmen zu schaden. Außerdem habe die Vorgängerregierung durch den Windatlas den künftigen Bedarf an Energie ermittelt; das jetzt vorgesehene Landesplanungsgesetz fördere den Wildwuchs und sei kein kluges Verfahren. «Sie geben Planungssicherheit und Konsens auf, warf Nemeth der Regierung vor.
Auch Andreas Glück (FDP) hielt Grün-Rot vor, andere Energieträger außer der Windkraft zu vernachlässigen. Die Windkraft löse nur ein Fünftel des Energieproblems.
Johannes Stober (SPD) sprach sich für einen Energie-Mix aus. Durch das Planungsgesetz würden Blockaden beendet. Die Regionalverbände behalten aus seiner Sicht das Recht, Vorrangsflächen auszuweitern. Vor Ort könne allerdings künftig nicht mehr alles verhindert werden.
Minister Untersteller nannte in der Debatte auch aktuelle Zahlen. Ende des Jahres werde die Stromerzeugung in Baden-Württemberg über Photovoltaik einen Anteil von drei Prozent an der Bruttostromerzeugung ausmachen. Dies sei das Ziel der alten Regierung für das Jahr 2020 gewesen. Im Südwesten seien 1000 Megawatt Photovoltaik hinzugekommen. Sollte der Anteil der Windkraft auf 10 Prozent bis 2020 gesteigert werden, wäre Baden-Württemberg dann bei einem Anteil von 21 Prozent bei erneuerbaren Energien. Hinzu käme die Biomasse mit derzeit 1,2 Millionen Tonnen (400 000 Tonnen Bioabfälle, 800 000 Tonen Grünschnitt). Bei der Wasserkraft verfüge Baden-Württemberg über ein relativ hohes Niveau. In Sachen Geothermie dürfe künftig im Südwesten weiter gebohrt werden, allerdings auf qualitativ höherem Niveau und besser überwacht. Außerdem gebe es Versicherungen, die im Falle von Schäden — wie in Staufen oder Leonberg — eintreten.