Stuttgart. Der Landtag hat am Donnerstag über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) debattiert. „Vor dem Brexit: Europa muss zusammenhalten“ hatte die SPD die Aussprache überschrieben und fand dafür bei allen Fraktionen mit Ausnahme der AfD Zustimmung. „Es ist in unserem eigenen Interesse für ein Europa einzutreten, das zusammenhält“, betonte der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion Peter Hofelich. Er verwies auf die wirtschaftliche Bedeutung von Großbritannien als Handelspartner Baden-Württembergs. Es gebe 266 Unternehmen mit britischer Beteiligung im Land, so Hofelich.
Allerdings leidet der Südwesten schon seit dem Brexit-Referendum im Jahr 2016 unter „erheblichen Bremsspuren“, wie es Josef Frey (Grüne) formulierte. Die Exporte von Baden-Württemberg nach Großbritannien seien seither um rund ein Drittel eingebrochen. Das Vereinigte Königreich ist mit einem Handelsvolumen von 13,6 Milliarden Euro (2018) der sechstwichtigste Wirtschaftspartner Baden-Württembergs.
Hofelich kritisierte die Haltung des britischen Premierministers Boris Johnson in den Brexit-Verhandlungen, forderte aber auch von Deutschland mehr Offenheit für die Positionen anderer EU-Staaten und der Briten. „Wir können mehr für ein wechselseitiges Verständnis tun“, meinte der SPD-Politiker. Gleichzeitig forderte er, dass sich Europa in der Welt wieder Geltung verschaffen müsse.
Ähnlich sahen das auch andere Redner. Für Joachim Kößler (CDU) muss Europa seinen Blickwinkel ändern, weg von der Binnenorientierung hin zur Weltorientierung. Und der europapolitische Sprecher der FDP, Erik Schweickert, erklärte: „Der Zusammenhalt ist die einzige Chance nicht zwischen den USA und China zerrieben zu werden.“
Auch wenn der EU im Landtag von verschiedenen Seiten noch Entwicklungsbedarf attestiert wurde, zeigten sich Grüne, CDU, SPD und FDP mit dem momentanen Zustand der Gemeinschaft im Grundsatz zufrieden. „Die EU wird weiter stark sein, auch wenn sich Großbritannien zum Austritt ohne Deal entschließt“, erklärte Europaminister Guido Wolf (CDU). Der bestehende Zusammenhalt zwischen den verbleibenden Mitgliedstaaten sei bei allem Übel des Brexits eine der wenigen positiven Folgen. Und ebenso herrsche Einigkeit darüber, dass die Errungenschaften des EU-Binnenmarktes verteidigt werden müssten.
Ganz anders fiel die Beurteilung seitens der AfD aus. Deren europapolitischer Sprecher Emil Sänze bezeichnete die EU als „gescheitertes Monster“. Gegenüber anderen Staaten seien Europa und Deutschland wirtschaftlich, vor allem in der Digitalisierung, weit abgeschlagen. Das Scheitern der EU sei der wahre Grund für Großbritannien, der EU den Rücken zu kehren.
Bei der Beurteilung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zu Ende gehenden Halbjahr endete die Einigkeit der europafreundlichen Parteien. Während sich Grüne, CDU und SPD im Grunde mit den Ergebnissen zufrieden zeigten, bescheinigte FDP-Politiker Schweickert, der deutschen Ratspräsidentschaft kaum Erfolge erzielt zu haben.
Den Briten würden die Abgeordneten selbst nach einem harten Brexit die Freundschaft nicht aufkündigen. „Die Verbundenheit mit Großbritannien wird bleiben und muss bleiben“, postulierte Europaminister Wolf. Hofelich forderte die Zusammenarbeit mit den Briten nach dem Austritt durch Schul- und kommunale Partnerschaften aber auch Forschungskooperationen fortzuführen. Und Frey bot den Briten sogar eine Rückkehr an. „Wir werden den Briten die Hand auf Augenhöhe reichen, wenn sie zurück in die EU wollen.“