Stuttgart. Mit ihrer Mehrheit und gegen die Stimmen von CDU und FDP haben die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD am Mittwoch im Landtag den dritten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2014 verabschiedet. Dieser sieht eine Vorfinanzierungsermächtigung aus Landesmitteln (Swing) von 100 Millionen Euro vor, damit sämtliche vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für den Bundesfernstraßenbau auch in voller Höhe abgerufen werden können.
Außerdem werden weitere 30 unbefristete Stellen in den Straßenbauabteilungen und bei der Landesstelle für Straßentechnik geschaffen. Mit einem Änderungsantrag genehmigte Grün-Rot zusätzlich 12,5 Millionen Euro, um die Liquidität des Universitätsklinikums Ulm zu sichern; dieses benötigt für Investitionen und Entwicklungen für 2014 bis 2016 insgesamt eine Unterstützung von 25 Millionen Euro.
In der zweiten und dritten Lesung ging der Streit um die Nullverschuldung zwischen den Regierungsparteien und der Opposition vehement weiter. Grün-Rot dürfe das Wort Nachhaltigkeit nicht mehr in den Mund nehmen, sagte CDU-Fraktionsvize Winfried Mack. Er verwies auf zehn andere Bundesländer, die keine neuen Kredite mehr aufnehmen oder sogar Schulden tilgen und nannte die Finanzpolitik von Grün-Rot „ein Trauerspiel“. Angesichts sprudelnder Steuermehreinnahmen müsse das Land „sofort“ auf neue Schulden verzichten, zumal Finanzminister Nils Schmid (SPD) Ende 2013 rund 3,5 Milliarden Euro „cash in der Kasse“ gehabt habe. Die Landesregierung verstoße gegen Haushaltsrecht, habe die Landesausgaben innerhalb von drei Jahren um 16 Prozent gesteigert: „Ein Ausgabe-Tsunami“.
Neue Schulden seien völlig unnötig, urteilte auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Die Netto-Null sei in diesem Jahr genauso möglich wie 2008, 2009, 2011 und 2012. Das „Nachtragshaushältchen“ beweise, dass die Landesregierung „nicht sparen könne und nicht sparen wolle“. Grün-Rot habe eine südländische Haushaltsmentalität. Zu den unterschiedlichen Einschätzungen von Finanzminister Nils Schmid, der in der vergangenen Woche eine Nullverschuldung schon 2016 für möglich gehalten hatte, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der diese Prognose kritisch beurteilt hatte, sagte Rülke: „Das Bild des heutigen Tages spricht ja Bände. Den ganzen Morgen schon sitzen sie wie Waldorf und Statler von der Muppet Show auf der Regierungsbank und gucken sich giftig an, weil sie sich offensichtlich nicht rot und nicht grün sind ob dieser Auseinandersetzungen in der Haushaltspolitik.“
Minister Schmid reagierte gelassen auf die Vorwürfe der Opposition. „Wir wollen den Haushalt in Ordnung bringen“, sagte er. Mit Schnellschüssen aus dem Abseits werde das aber nichts. Er setze weiter auf konsequentes Konsolidieren, schrittweises Sanieren und gezieltes Investieren. Die Rahmenbedingungen für den Doppelhaushalt 2015/16 seien „besonders günstig“, räumte Schmid außerdem ein. Es sei auch verlockend, für 2014 die Nettonullverschuldung zu fordern, die „auch wir wollen“. Aber nur dann, wenn Risiken abgesichert seien, fügte er an. Damit wies er auf Mehrkosten durch steigende Flüchtlingszahlen, die anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Altersdiskriminierung von Beamten und die Berücksichtigung von Ausgaberesten.
„Ihre Vorschläge bringen nichts, denn das ist eine zusammengeschusterte Null und das macht keine nachhaltige Konsolidierung aus“, sagte er in Richtung CDU und FDP. Schmid folgerte, eine Netto-Null 2014 würde noch höhere Neuverschuldungen in den Folgejahren nach sich ziehen. Die Opposition betreibe „billige Effekthascherei“. Substanziell sei jedoch der Finanzplan 2020 von Grün-Rot, mit dem strukturelle Defizite Schritt für Schritt abgebaut werden können – auch mit den Orientierungsplänen, mit denen die Ministerien Sparauflagen erfüllen müssen.
Schmid sieht auch „Spielräume“, die er wahrnehmen möchte, um „noch ambitionierter“ zu agieren. Dies gehe im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik aber nur dann, „wenn die Zahlen belastbar und die Risiken kalkuliert“ sind. „Es gibt Spielräume, die die Nettonull im Doppelhaushalt 2015/16 zu erreichen.“ Vor allem dann, wenn Steuerquellen sprudeln und die Konsolidierung „schon frühzeitig Effekte zeigen“.
Rückendeckung erhielt der Minister vom Grünen-Finanzexperten Andreas Schwarz und von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. „Es weht ein optimistischer Wind durchs Land“, konstatierte Schwarz und beteuerte, er sei stolz auf „unser Land“ und darauf Abgeordneter zu sein. Der Schuldenberg Baden-Württembergs in Höhe von 43 Milliarden Euro geht auf das Konto der CDU. Für die Grünen-Fraktion gelte, mit „so wenig Krediten wie möglich“ auszukommen und so früh wie möglich zu einem Haushalt mit Null-Krediten zu kommen. Auch Schmiedel warf der CDU vor, die Infrastruktur im Südwesten „sträflich vernachlässigt“ zu haben. „Wenn es die Zahlen ermöglichen, werden wir die Netto-Null sobald wie möglich machen“, kündigte er an. Allerdings müsste dies „belastbar, nachhaltig und nachvollziehbar“ sein.
Der SPD-Politiker kritisierte scharf Max Munding. Der Präsident des Landesrechnungshofes hatte in einem Interview die Landesregierung aufgefordert, angesichts Steuermehreinnahmen und hoher Überschüsse keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Der CDU-Parteifreund solle sich mit „wohlfeilen Ratschlägen“ zurückhalten und sich an die eigene Nase fassen, denn der Rechnungshof haben selbst noch keinerlei Sparvorschläge aufgrund des Orientierungsplanes gemacht. Rülke nannte Schmiedels Kritik „diffamierend“, Mack sah daran einen Angriff an die Unabhängigkeit des Rechnungshofes.
Auch Landesrechnungshofpräsident Max Munding hatte in der Südwest Presse gefordert, das Land könne und müsse schon 2014 ohne neue Schulden auskommen. Auch in den Folgejahren sei der Verzicht auf neue Kredite „machbar“.
SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel verwies aber darauf, dass der Rechnungshof seine eigenen Einsparvorgaben für 2015 und 2016 nicht erfülle. Schmiedel deutete in diesem Zusammenhang auch eine Nähe von Munding zur CDU an. CDU und FDP reagierten empört. Damit stelle Schmiedel Mundings Unabhängigkeit infrage, sagte Mack. Rülke wetterte: „Damit haben sie dem Rechnungshof parteipolitische Voreingenommenheit unterstellt. Das ist ein beispielloser Vorgang.“