Stuttgart. Baden-Württemberg pocht in der Debatte über den dauerhaften Euro-Stabilitätsmechanismus ESM darauf, dass die Länder mitentscheiden können. „Wenn dieser Ende des Jahres verabschiedet wird, geht dies nur mit Zustimmung des Bundesrats“, forderte Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) am Mittwoch in einer Regierungserklärung vor dem Landtag in Stuttgart. „Sollte dies die Bundesregierung verweigern, dann halte ich den Gang nach Karlsruhe für unausweichlich.“
Auch bei der Vergrößerung der EU-Rettungsschirme dringt Grün-Rot auf mehr Mitsprache. Friedrich kritisierte: „Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, den Bundesrat und die Bundesländer über die Maßnahmen des EFSF zu unterrichten.“ Das Land werde der Bundesregierung am Freitag keinen Blankoscheck unterschreiben und nicht auf seine Rechte verzichten. Allerdings könnten die Länder dieses Vorhaben der Regierung nicht aufhalten, weil es kein Einspruchsgesetz sei.
Friedrich warb dafür, dem völlig überschuldeten Griechenland unter die Arme zu greifen, um die Eurokrise in den Griff zu bekommen. Man dürfe das Feld nicht den Euroskeptikern überlassen. „Es geht längst nicht mehr nur um den Euro, sondern um den Erhalt und den Zusammenhalt der Europäischen Union.“ Er verwies darauf, dass Baden-Württemberg ohne die Einbindung in die Europäische Union seinen Wohlstand nicht hätte erarbeiten können.
Die Südwest-Unternehmen exportierten 2010 rund 103 Milliarden Euro nach Europa, das sind zwei Drittel der Ausfuhren. Es gingen Waren im Wert von 60 Milliarden Euro aus Baden-Württemberg in die Eurozone. Der SPD-Politiker erklärte: „Wir sind Zahlmeister der EU, das stimmt. Wir sind aber auch der größte Profiteur der EU.“ Darum dürfe Deutschland auch notleidende Euro-Staaten nicht fallen lassen. „Deswegen sind auch alle Überlegungen, die auf einen Austritt oder eine Ausgrenzung Griechenlands aus der Eurozone abstellen, verfehlt.“
Der SPD-Politiker hielt Union und FDP vor: „Der immer wieder vorgetragene Ausspruch, dass wir keine Haftungs- und keine Transferunion wollten, ist in Wahrheit eine Flucht vor der längst eingetretenen Realität.“ In der EU gebe es längst einen Haftungsverbund. Er plädierte dafür, die Einführung von sogenannten Eurobonds zu prüfen. „Ein gemeinsamer Anleihemarkt könnte ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung der Eurozone werden.“
Friedrich wandte sich dagegen, Griechenland mit immer neuen Forderungen nache einer stärkeren Konsolidierung unter Druck zu setzen. „Allzu strikte Sparauflagen dürfen nicht die Wachstumschancen zerstören.“ Der SPD-Minister plädierte zudem für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. „Die Privatisierung der Gewinne und die Sozialisierung der Verluste können kein Modell sein.“
CDU und FDP wandten sich gegen Vergemeinschaftung der Schulden etwa von Griechenland. Ex-Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU) sprach sich auch gegen Eurobonds aus. „Die Gefahr liegt darin, dass wir falsche Anreize setzen. Wir würden das Schuldenmachen vereinfachen.“ Er betonte: „Wir wollen eine Stabilitätsunion, aber keine reine Haftungs- und Transferunion.“ Würden die Eurobonds eingeführt, müsse Baden-Württemberg eine Milliarde Euro mehr Zinsen im Jahr zahlen. „Das kann nicht unser Weg sein.“Die Schuldenkrise könne nur überwunden werden, wenn jeder Mitgliedstaat selbst für seine Schulden haftet, sagte Reinhart. Hilfskredite dürfe es nur geben, wenn es im Gegenzug zu Sparmaßnahmen kommt. „Eine geordnete Umschuldung muss auch in Betracht gezogen werden.“
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke forderte eine harte Gangart gegen Griechenland, das nicht in der Lage sei, die Krise in den Griff zu bekommen. „Es besteht die Gefahr, dem inzwischen schlechten Geld des Steuerzahlers dessen gutes Geld noch hinterher zu werfen.“ Es müssten weitere Instrumente im Rettungsschirm eingebaut werden. „Beispielsweise Schuldenschnitte beziehungsweise geordnete Insolvenzverfahren bis hin zu einem Ausscheiden aus dem Euro.“