STUTTGART. Mit heftiger Kritik an dem vom neuen Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) eingebrachten Zahlenwerk für das Jahr 2022 startet der Landtag in die Haushaltberatungen. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD, FDP und AfD warfen dem Nachfolger von Edith Sitzmann vor, weder ehrlich noch seriös vorzugehen und die falschen Schwerpunkte zu setzen.
Der Grüne wehrt sich, denn ein Haushalt bewege „sich ja nicht im luftleeren Raum“. Und der für das kommende Jahr sei auch Ausdruck „der erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung“. Ein starkes Land wie Baden-Württemberg brauche gut ausgestattete öffentliche Institutionen. Der Entwurf, der vor Weihnachten endgültig beschlossen werden soll, sieht vor, dass die Regierung im nächsten Jahr keine neuen Schulden aufnimmt und knapp eine halbe Milliarde Euro der Corona-Kredite tilgt. Dem gegenüber stehen Investitionen von rund 915 Millionen Euro.
Für die FDP griff Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke neben seiner Fundamentalkritik als ein Detail die Ende Oktober gestartete Fachkräfteanwerbekampagne des Landes „The Länd“ heraus. Die Regierung spare im Haushaltsplan beim Antisemitismusbeauftragten und bei den Lehrerstellen, gebe dafür aber mehr als 20 Millionen aus. Rülke stellte zugleich die Frage, warum die Regierung in ganz Baden-Württemberg plakatieren lasse, wenn man doch Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen wolle. Auch Stoch rechnete die veranschlagten Mittel gegen. Denn sie machten schon die Hälfte des Betrags aus, mit dem die Studiengebühren für ausländische Studenten abgeschafft werden könnten. Damit seien Menschen ebenfalls ins Land zu locken.
Insgesamt sieht der SPD-Fraktionschef Andreas Stoch „finanziell so gut im Futter, dass sie fast 17 Milliarden Euro an genehmigten Krediten gar nicht anfassen musste“. Dieser Handlungsspielraum, der deutlich größer sei als in anderen Ländern, werde aber nicht genutzt: „Es scheint, als überfordere sie die Idee, Dinge anzupacken“, als solle mit diesem Haushalt die Lustlosigkeit kaschiert werden, frei nach dem Motto: „Wir brauchen keine Lösungen, denn wir können sie ja eh nicht bezahlen“. Da werde der Finanzminister ein Kulissenschieber.
Die AfD kritisierte, wie „die Deckungslücke im vorliegenden Haushalt mit Geldern der letzten, schuldenbehafteten Nachtragshaushalte geschlossen, rote Zahlen schwarz gefärbt werden sollen", so Fraktionschef Bernd Gögel. Das sei „ebenso unanständig wie das Anberaumen dieser Plenardebatte wenige Tage vor der Steuerschätzung, die möglicherweise nicht so glanzvoll wie erwartet ausfallen könnte". Gögel sprach von „grob fahrlässigen Annahmen zum Tarifaufwuchs im öffentlichen Dienst", weil weniger als dreieinhalb Prozent angesichts der Inflationsrate unrealistisch seien, außerdem die Ausgaben in der Migrationspolitik oder die "völlig unzureichend geplanten Mittel für die Verkehrsinfrastruktur", denn für den Erhalt der Landesstraßen seien mit lediglich 161 Millionen Euro heute über 20 Millionen Euro weniger veranschlagt als 2019. Die AfD wolle mit eigenen Anträgen in den Haushaltsberatungen gegensteuern.
Naturgemäß viel Lob für den Haushalt 2022 gab es von den Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen. Andreas Schwarz (Grüne) sieht das Land auf einem guten Weg: Die Konjunktur ziehe wieder an, die Wirtschaft komme gut durch die Krise und sei auf die anstehenden Herausforderungen gut vorbereitet. Dazu gehörten die digitale Transformation, die Klimakrise, aber auch die in den vergangenen Wochen zu Tage tretende Krise in den Lieferketten oder der Fachkräftemangel, dem die nächste Bundesregierung mit einem „modernen Einwanderungsrecht“ begegnen müsse. „Unser Zahlungsmittel ist die Vernunft“, erklärte Manuel Hagel (CDU). Der Etat gehorche einem Dreiklang: erstens keine neue Schulden mehr zu machen; zweitens für Verlässlichkeit im neuerlichen Corona-Winter zu sorgen; drittens zu investieren in einen echten Aufbruch, weil das Vertrauen schaffe. „Der Ausbau der Digitalisierung ist Prio Nummer eins“, erklärte Hagel weiter. Baden-Württemberg sei Heimat der Tüftler und Denker, und jeder, der wisse, „wie neues Wachstum entsteht, muss an Baden-Württemberg denken“.