STUTTGART. Baden-Württemberg hat den Weg frei gemacht für die Erhöhung der Rundfunkgebühren. Die Fraktionen der Grünen, CDU, SPD und FDP stimmten am Donnerstag im Stuttgarter Landtag dem Gesetz zum ersten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge in zweiter Lesung zu. Die Abgeordneten der AfD votierten dagegen.
Damit steigt vom 1. Januar 2021 an der Rundfunkbeitrag für die bis zum 31. Dezember 2024 laufende Beitragsperiode um 86 Cent auf 18,36 Euro monatlich. Allerdings steht die Ratifizierung von Sachsen-Anhalt noch aus; sollte dieses Bundesland nicht zustimmen, wäre die Erhöhung nicht möglich und es würden gerichtliche Auseinandersetzungen drohen.
Im medienrechtlichen Staatsvertrag wird außerdem der Verteilschlüssel hinsichtlich des Rundfunkbeitragsaufkommens zwischen ARD, ZDF und Deutschlandradio und des Finanzierungsbetrags für den Europäischen Kulturkanal arte sowie der ARD-interne Finanzausgleich zu Gunsten des Saarländischen Rundfunks und Radio Bremen angepasst.
Staatsministerin Theresa Schopper (Grüne) warb in der Aussprache eindringlich für die Erhöhung und brach eine Lanze für die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland. Diese hätten eine „hohe Glaubwürdigkeit“ und seien daher „unverzichtbar“. Schopper erklärte, diese Erhöhung des Rundfunkbeitrags sei die erste seit der Einführung des Beitragsmodells. Die dafür zuständige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hatte in ihrem 22. Bericht die Beitragserhöhung vorgeschlagen. Außerdem betonte die Staatsministerin, Kritik an den Sendern sei wichtig und notwendig. Der Landtag müsse notwendige Aufgaben und Strukturen regeln.
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Für Alexander Salomon (Grüne) ist die Gebührenerhöhung „nach elf Jahren Stagnation“ gerechtfertigt. Die öffentlich-rechtlichen Sender stünden vor neuen Herausforderungen; angesichts neuer Medien befinde man sich in diesem Bereich heute in einer ganz anderen Welt. Die Öffentlich-Rechtlichen würden jedoch den Menschen „Halt und Orientierung geben“. Salomon lobte den SWR, der trotz harter Einsparungen in den vergangenen Jahren nicht an der Qualität gespart habe.
Die Erhöhung des Beitrags sei „angemessen und maßvoll“, stellte Raimund Haser (CDU) fest. Er kritisierte Medien wie Google und Facebook, die irgendwann „nicht mehr kontrollierbar“ seien. So seien die Öffentlich-Rechtlichen zwar das „teuerste“, aber auch das „beste und kontrollierteste System der freien Welt“. Haser forderte den Erhalt der vielfältigen Medienlandschaft in Deutschland und ermutigte die Politik, Aufgaben und Strukturen dafür festzulegen. Aus seiner Sicht machen unkontrollierte Medien derzeit mehr Meinungen als alle Radiosender und Zeitungen zusammen.
Auch Sascha Binder (SPD) brach eine Lanze für die öffentlich-rechtlichen Sender: Er sei froh, dass es diese in Deutschland gebe. Das Vertrauen in diese Anstalten sei groß. Deshalb sei es notwendig, die Öffentlich-Rechtlichen gut zu finanzieren. Positiv bewerte Binder, dass die Parlamente auch weiterhin über die Höhe des Rundfunkbeitrags entscheiden. Für die nächste Legislaturperiode nahm er sich und seine Landtagskollegen in die Pflicht: Es müsse nicht nur über die Qualitätssicherung von Medien diskutiert werden, sondern auch über Standorte und Aufgaben der Sender.
Für Rainer Podeswa (AfD) ist der Rundfunkbeitrag keine Gebühr, sondern eine Steuer. Die Öffentlich-Rechtlichen bräuchten 1,9 Milliarden Euro mehr Geld, insgesamt betrage das Bugdet 10 Milliarden Euro. „40 Staaten der Welt haben ein geringeres Bruttoinlandsprodukt als der Jahresetat der Öffentlich-Rechtlichen“, verglich er. Bezugnehmend auf die Ernennung von Christine Strobl, der Ehefrau von Innenminister Thomas Strobl und Bundestags-Präsident Wolfgang Schäuble (beide CDU), zur ARD-Programmdirektorin urteilte der AfD-Abgeordnete, ein staatsferner öffentlich-rechtlicher Rundfunk werde nicht eingehalten. Die AfD will die Anstalten deshalb „teilweise abschaffen“, auf jeden Fall reformieren.
Auch Ulrich Goll (FDP) vermisst politische Unabhängigkeit. 90 Prozent der Volontäre bei den Öffentlich-Rechtlichen würden „grün oder links ticken“. Außerdem sei fraglich, ob die Sender noch ausreichend die Jugend erreichen würden. Auch Goll sieht Diskussionsbedarf. Die Installierung der KEF zur Ermittlung der Rundfunkgebührenhöhe bewertet die FDP als gut.