STUTTGART. Für einen fand der Ministerpräsident bei der Präsentation der Kabinettsliste besonders persönliche Worte. Denn Winfried Kretschmann (Grüne) berichtet, dass der neue Finanzminister Danyal Bayaz „liiert“ sei mit der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im bayerischen Landtag Katharina Schulze. Die beiden erwarten ihr erstes Kind. Außer der Verlesung der insgesamt 27 Namen war diesmal wenig geboten nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags durch die Hauptverhandler, ohne jede Feier in der Stuttgarter Staatsgalerie, aber mit Abstand und Maske.
Da hatte Kretschmann den größeren Auftritt dieses „historischen Tages“, wie er selber sagte, schon hinter sich – in einer Rolle, in der er noch nie war und die er auch nie wieder übernehmen wird: Als Ältester nach Dienst- und Lebensjahren eröffnete der 72-Jährige die 17.Legislaturperiode des Landtags von Baden-Württemberg. Und anderem mit deutlichen Worten an die AfD. Er hoffe sehr, „dass sich die unwürdigen Szenen aus der letzten Legislatur, die vielen Diffamierungen und Beschimpfungen, die wir hören mussten und die in dieser Form neu waren, nicht wiederholen.“ Immerhin deutlich verändert war die Reaktion von ganz rechts im Plenarsaal auf die Wahl von Muhterem Aras zur Landtagspräsidentin: Anders als vor fünf Jahren erhoben sich nach einigem Zögern sogar die AfD-Abgeordneten.
2019 hatte der Landtag seine Regeln schon 2019 geändert, um – nach 2016 – einen zweiten Alterspräsidenten der AfD zu verhindern. Früher fiel die Aufgabe, die erste Sitzung zu eröffnen, dem nach Lebensjahren ältesten Parlamentarier zu, inzwischen zählt die Zahl der im Landtag verbrachten Dienstjahre. Kretschmann nahm sich entsprechend zurück und hielt keine seiner ausführlichen, sondern eine eher kurze Rede zum „Zauber des Neuanfangs“. Bei der Landtagswahl am 14. März habe der Souverän gesprochen, ein neues Parlament gewählt und damit Macht auf Zeit vergeben: „Es gehört zum Kernbestand von Fairness und Gerechtigkeit in der Demokratie – und fast möchte man auch sagen: zu ihrer Schönheit –, dass das demokratische Gemeinwesen in Wahlen immer wieder neu entscheiden kann, wie es weitergeht.“ Diesmal wolle die Koalition über die Mitte der Zwanziger Jahre hinaus die Weichen für das Land stellen.
Auffällig und gerade angesichts der zweiten Wahlniederlage der CDU keineswegs selbstverständlich war der vergleichsweise entspannte Umgang der neuen und alten Regierungsabgeordneten miteinander. Und anders als 2016 durfte sich die wiedergewählten Landtagspräsidentin auch über reichlich warmen Applaus freuen. Sie wolle, sagte sie, alle „ermutigen, gemeinsam durch unser Handeln zu überzeugen, durch unseren Mut zu Entscheidungen – auch zu solchen, die nicht in alle Richtungen abgesichert sind –, durch unseren Mut zu Kooperation über Fraktionsgrenzen hinweg mit Blick auf die Sache“. Die erste Muslimin im zweithöchsten Amt des Landes wurde mit 130 Ja-Stimmen wiedergewählt, bei 18 Nein und drei Enthaltungen.
Wieder eingerichtet wurde das Amt eines zweiten Vize, das 2016 abgeschafft worden war, um den Landtag intern, aber auch im Land, im Bund und in Europa nicht durch einen AfD-Abgeordneten vertreten zu lassen. Gewählt wurden der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart mit 121 Ja-, bei 20 Nein-Stimmen und zehn Enthaltungen, sowie der Schwetzinger SPD-Abgeordnete Daniel Born - mit 106 Ja- und 35 Nein-Stimmen sowie neun Enthaltungen. Der Zuschlag für den zweiten Stellvertreterposten ging an die SPD als größte Oppositionsfraktion.
Der AfD-Abgeordnete Anton Baron kritisierte wie sich die Koalition, in der Regierung, aber auch im Landtag neue Posten schaffen zu wollen: „Das ist ein ordentlicher Schluck aus der Pulle.“ Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz hielt dagegen, der Landtag sei größer geworden, nun säßen 154 statt 143 Abgeordnete im Parlament. Und: Die Belastung des Präsidiums bei der Sitzungsleitung sei vor allem wegen der AfD gestiegen, weil viele Abgeordnete sich nicht an die Ordnung im Parlament hielten. Und weiter: „Wir haben es leider erleben müssen, dass die Sitzungskultur in der vergangenen Legislaturperiode sich erheblich zum Negativen verändert hat.“