Stuttgart. Am Mittwoch haben die Abgeordneten im Landtag mehrheitlich dem Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften zugestimmt. Zuvor hatten die Oppositionsfraktionen den Entwurf der Landesregierung teils heftig kritisiert. Mit dem Gesetz sollen „die Möglichkeiten für mehr Demokratie und Transparenz geschaffen und eine bessere Teilhabe für ausländische Bürger erreicht werden“, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD).
Im Wesentlichen sieht das Gesetz vor, die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene zu erweitern, indem die Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gesenkt und die Frist für diese Instrumente auf drei Monate verlängert wird. Die Möglichkeiten des Bürgerantrags und der Bürgerversammlung werden auf Einwohner erweitert, wodurch insbesondere auch Menschen mit Migrationshintergrund einbezogen werden sollen. Darüber hinaus soll die Arbeit kommunaler Gremien an Transparenz gewinnen, indem die Gremien die Möglichkeit erhalten, mehr Inhalte im Internet zu veröffentlichen als bisher und öffentliche Vorberatungen abzuhalten. Außerdem erhalten Kinder und Jugendliche mehr Beteiligungsrechte.
Karl Klein (CDU) konnte dem von Grün-Rot geplanten Gesetz nichts Positives abgewinnen, mit Ausnahme der gesenkten Quoren und der verlängerten Frist für Bürgerbegehren. „Viele der Änderungen sind völlig unnötig und zeugen von Misstrauen gegenüber den Kommunen“, sagte Klein. Als Beispiel nannte er die Zulassung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden über den verfahrenseinleitenden Beschluss im Bauleitplanverfahren. Dies erschwere die Arbeit vor Ort, so Klein, gerade in der aktuellen Situation, in der die Kommunen Wohnraum für die zahlreichen Flüchtlinge suchen müssten.
Im Gegensatz zu Klein sieht der Grünen-Abgeordnete Andreas Schwarz in dem neuen Gesetz „eine Stärkung der Demokratie sowie des Verantwortungsgefühls der Bürger“. Durch das Gesetz solle es künftig attraktiver werden, sich als Gemeinde-, Kreis- oder Ortschaftsrat zu engagieren. In Bezug auf Bürgerentscheide bei der Bauleitplanung verwies er auf Beispiele aus der Praxis. So haben sich erst kürzlich die Bürger von Au (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) in einem Bürgerentscheid für den Bau eines Gebäudes für Flüchtlinge im Ortskern entschieden. „Das macht mich zuversichtlich“, sagte Schwarz.
Walter Heiler (SPD) stellte der Opposition die rhetorische Frage, ob diese Angst vor den Bürgern habe. „Erst sagt man den Bürgerentscheiden für die Bauleitplanung zu, dann kommen die Flüchtlinge und plötzlich will man die Bürger doch nicht mehr entscheiden lassen“, sagte Heiler. Dieses Verhalten sende „ein falsches Signal“. Darüber hinaus hob Heiler hervor, dass das neue Gesetz die Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt verbessere und die Gleichstellung von Frau und Mann stärke. Insgesamt sei das Gesetz ein „wichtiger Schritt zur notwendigen Modernisierung kommunaler Demokratie“.
Auch der FDP-Abgeordnete Ulrich Goll lobte einige „positive Ansätze“, die das Gesetz enthalte. Für gut befand er etwa die gestärkten Rechte von Kindern und Jugendlichen. Insgesamt enthalte das Gesetz aber zu viele negative Punkte. So halte er es für problematisch, dass die Fraktionen im Gemeinderat das Recht bekommen sollen, ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Gemeinde im Amtsblatt darzulegen, sagte Goll. Da müsse am Ende jeder Schwachsinn abgedruckt werden. Aufgrund der vielen negativen Punkte sei es seiner Partei leider nicht möglich, dem Gesetz zuzustimmen, so sein Fazit.
Dass das Gesetz den Einfluss ausländischer Bürger auf die Kommunalpolitik stärken solle, betonte Innenminister Gall. „Wer kann denn etwas dagegen haben?“, fragte er in Richtung der Opposition. Zudem solle das Gesetz die Fraktionen stärken, was zu einer Stärkung der kommunalen Demokratie führe. Gleichzeitig werde den Bürgern eine größere Verantwortung zugesprochen. „Das Gesetz schafft die Grundlage für die weitere Entwicklung der Gemeinden und Kreise“, sagte Gall.