Stuttgart. Mit ihrer aktuellen Debatte „Gruppenvergewaltigung, eskalierende Hochzeitsgesellschaften, Schwimmbadgewalt – sieht so die kulturelle Vielfalt der Landesregierung aus?“ hat die AfD-Fraktion am Donnerstag wütende Reaktionen der anderen Fraktionen und von Innenminister Thomas Strobl (CDU) ausgelöst. Die AfD schaffe es immer wieder, „neue Tiefpunkte“ zu setzen, mit dem Ziel, „ausschließlich zu provozieren“ und die Gesellschaft zu spalten, kritisierte Strobl. Es sei widerwärtig, wie die AfD die Freiburger Gruppenvergewaltigung „für billige politische Zwecke“ missbrauche.
„Sie diffamieren Menschen“, sagte Daniel Lede Abal (Grüne). Wenn über Menschen gesprochen wird, die respektlos sind und sich nicht an Regeln halten, erinnere ihn dies an AfD-Abgeordnete im Landtag, die von der Polizei aus dem Parlament abgeführt werden, stellte Sascha Binder (SPD) fest. Und Ulrich Goll (FDP) konstatierte: „Die Höckes sitzen auch in Baden-Württemberg.“ Die AfD diffamiere Menschen, fördere ein Klima des Hasses und versuche mit „Rattenfänger-Themen“, das „Schiff Baden-Württemberg und Deutschland von rechts zu kapern“.
Aufgrund der „erstklassigen Polizeiarbeit“ sei Baden-Württemberg bei der Inneren Sicherheit bundesweit spitze, konstatierte Strobl. In Bezug auf die Gruppenvergewaltigung in Freiburg attestierte der Innenminister der Freiburger Polizei, „alles richtig gemacht“ zu haben. Er gab bekannt, die Sexualstraftaten zum polizeilichen Schwerpunkt in diesem Jahr gemacht zu haben. „Wir wollen mehr Licht ins Dunkel bringen und Frauen besser schützen.“
Strobl räumte ein, dass die Zuwanderung nicht Auswirkungen auf die Zahl der Intensivstraftäter und Gefährder bleibe. Allerdings sei der eingerichtete Sonderstab „Gefährliche Ausländer“ erfolgreich: Jede Woche werde ein Fall aufgeklärt, jeden Monat gebe es eine Abschiebung. Das Pilotprojekt am Regierungspräsidium Freiburg soll deshalb auf alle vier Präsidien ausgeweitet werden.
Strobl berichtete, die Hochzeitskorsos sein zwar kein neues Phänomen, sie hätte jedoch zugenommen. Dafür gebe es keinen kulturellen Hintergrund. Er wies darauf hin, dass die Aktionen „verfolgt und bestraft“ würden. Auch die Ausschreitungen in Freibädern seien „nicht hinnehmbar“.
Zuvor hatte Bernd Gögel (AfD) die Merkel-Regierung für die Gruppenvergewaltigungen verantwortlich gemacht. Straftaten nähmen zu. Der AfD-Fraktionschef warf der Verteidigung und den Medien vor, im Prozess um die Freiburger Gruppenvergewaltigung das Opfer zu beschädigen. Er forderte Opfer-Schutz statt Täter-Schutz. Außerdem müsste bei minderjährigen Tätern das Alter medizinisch festgestellt werden. Hinsichtlich der Straßenblockaden bei Hochzeitskorsos sagte Gögel, die baden-württembergischen Straßen würden sich nicht für Action-Filme eignen. Fahrzeuge sollten beschlagnahmt werden. Die AfD rufe angesichts der Lage „den Sicherheitsnotstand aus“.
Lede Abal verwies auf die seit Jahrzehnten bestehende Zuwanderung von Menschen nach Deutschland und Baden-Württemberg. Deren Integration erfolge „mal gut, mal schlechter“. Es gebe „natürlich auch in unserer Gesellschaft Probleme, Kriminalität und Konflikte“, räumte der Grünen-Abgeordnete ein. Baden-Württemberg werde nicht nachlassen in der Strafverfolgung. „Hier gilt unsere Werteordnung“, sagte Lede Abal und fügt an: „Dies werden wir nicht ändern lassen“. Gewalt und Kriminalität würde weiter entschieden entgegengetreten.
Baden-Württemberg sei das sicherste Bundesland in Deutschland, sagte Siegfried Lorek (CDU). Die Polizei habe und brauche die Unterstützung der Politik. Positiv bewertete er die Sicherheitspartnerschaft mit Freiburg; dort sei die Zahl der Delikte zurückgegangen. Lorek verurteilte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, Gewalt – auch in Schwimmbädern. „Die Verrohung zieht sich durch die ganze Gesellschaft“, konstatierte er. Es stelle sich auch die Frage, was für Fehler bei der Integration gemacht wurden und werden. Lorek sprach sich dafür aus, die Nationalität von Tätern zu nennen. Gefährder müssten das Land verlassen. Da Baden-Württemberg über die bundesweit geringste Polizeidichte verfüge, müssten im nächsten Doppelhaushalt die Polizei und die Justiz mit mehr Mittel gestärkt werden. Generell müssten Respekt und Mitmenschlichkeit wieder in der Gesellschaft verankert werden.
Sascha Binder (SPD) zitierte den Städtetag, nach dem es im vergangenen Jahr mehr als 1200 politisch motivierte Straftaten gegen Amtsträger gegeben hatte. Respektlosigkeit und Verrohung der Gesellschaft sei in vielen Bereich zu beobachten. Er verurteilte Blockaden, Pyrotechnik und den Einsatz von Schreckschusspistolen bei Autokorsos. In Freibädern nehme die Gewaltbereitschaft und die Zwischenfälle zu; auch diese müssten geahndet werden.
Staus auf Autobahnen und anderen Straßen durch Autokorsos seien nicht hinnehmbar, urteilte Goll; der FDP-Abgeordnete glaubt, dass dieses Phänomen nach den ersten Strafen „schnell abgestellt“ werden wird. Auch in den Schwimmbädern werde man in der Lage sein, wieder Disziplin zu schaffen. Gleichzeitig müssten Probleme dort, wo es sie gibt, angegangen werden: „Straftaten müssen, unabhängig von der Herkunft der Täter, schnell und konsequent verfolgt werden. Dafür braucht es eine bessere Sach- und Personalausstattung bei Polizei und Justiz.“
Schließlich müsse die Rückführung bei vollziehbar Ausreisepflichtigen stärker als bisher erfolgen. Nicht zuletzt die Grünen müssten ihre Blockadehaltung bei der Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten überdenken. Positiv bewertete Goll den Opferschutz; Baden-Württemberg sei das einzige Land mit einer Opferschutz-Stiftung, die auch Geld habe.