STUTTGART. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und auch die CDU-Landtagsfraktion gehen inzwischen von einem eingeschränkten Regelbetrieb im kommenden Schuljahr aus.
In einer aktuellen Landtagsdebatte stellte der frühere Gymnasialdirektor Karl-Wilhelm Röhm in Aussicht, dass vor allem Prüfungsrelevantes unterrichtet werde „unter Hintanstellung anderer Fächer“. Zudem verlangte er einen "Plan A" für den Regelbetrieb und einen "Plan B", für den jede Schule vor Ort zuständig sei, für den Fall ansteigender Infizierten-Zahlen. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) kündigte „einen Präsenzunterricht und Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen an“. Normalität sei „anders definiert mit Corona und ohne Corona“.
Ausgelöst wurden die Diskussionen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der am Wochenende in einem Zeitungsinterview angekündigt hatte, es werde es auch im kommenden Schuljahr noch keine Rückkehr zum klassischen Schulunterricht der Vor-Pandemie-Zeit geben.
Die AfD-Fraktion beantragte eine Aktuelle Debatte „Die verlorene Schülergeneration muss gerettet werden – sofortige Wiederaufnahme des Schulunterrichts“. Ihr bildungspolitischer Sprecher Rainer Balzer forderte „die unverzügliche Öffnung aller Schulen ohne Abstands- und Hygieneregeln“ sowie die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zu den Entwicklungen der vergangenen Wochen. Dafür wäre allerdings die Zustimmung einer zweiten Fraktion notwendig.
Eisenmann nutzte die Gelegenheit auch, um ein jeweils zweiwöchiges freiwilliges Lernprogramm für alle Schüler und Schülerinnen anzukündigen, die während der Sommerferien Lücken schließen und Versäumtes nacharbeiten wollen. Für die neuen „Lernbrücken“ als Reaktion auf die Schulschließungen würden 13 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, so die Ministerin weiter. Zum Einsatz kommen könnten auch Referendare. Derzeit liefen Abstimmungen mit den Kommunen zur konkreten Organisation und dem Raumangebot. Eisenmann stellte den Schulen ferner frei, weitere Aktionen zu entwickeln, „aber wir konzentrieren uns auf dieses Angebot“.
CDU-Fraktionsvize Röhm widersprach dem Debatten-Titel, weil es in Baden-Württemberg gar keine verlorene Schülergeneration gebe und deshalb auch keine gerettet werden müsse. Außerdem frage er sich, ob sich eine Schülergeneration, sollte sie jemals gerettet werden müssen, von der AfD-Fraktion gerettet werden wolle. Der frühere Gymnasialdirektor erklärte, er selbst hätte ebenfalls keine Ahnung von den technischen Notwendigkeiten gehabt. Es habe aber ungezählte Beispiel im Land gegeben, „wie man in der Not zusammensteht“, wie man sich selber helfe. Viele Schulleitungen hätten seit Beginn der Pandemie kein freies Wochenende gehabt.
„Unser besonderes Augenmerk“, sagte Röhm weiter, „richtet sich auf die Schüler, die im kommenden Jahr Abschlussprüfungen machen.“ Im laufenden Jahr habe es genügend Zeit und pädagogischen Freiraum gegeben, aber im kommenden Schuljahr müsse eine gute Vorbereitung organisiert werden. Hier seien die Schulen gefordert, tätig zu werden. So sei zu überlegen, die Prüfungen zeitlich später anzusetzen, Ferienzeiten zu nutzen, freiwilligen Samstagsunterricht abzuhalten oder Schülermentoren einzusetzen.
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Sandra Boser kritisierte ebenfalls den Debatten-Titel.: „Wir haben keine verlorene Schülergeneration.“ Vielmehr würden Nachhilfeprogramm angeboten. Es werde einen Regelbetrieb geben, der aber nicht überall die komplette Öffnung bedeuten werde. „So viel Öffnung wie möglich“ müsse das Ziel sein.
Mehr aus dem Landtag vom 24. und 25. Juni 2020
Ihr Kollege Timm Kern (FDP) schlug vor, den Schulbetrieb anhand von vier Kriterien "krisenfest" zu machen. Mit einer Offensive zur Gewinnung von Lehrkräften müssten die Personalengpässe überbrückt werden, die Kommunen müssten unterstützt werden bei der Suche nach zusätzlichen geeigneten Räumen, Defizite und Versäumnisse bei der Digitalisierung der Schulen müssten aufgeholt sowie eine couragierte Offensive speziell für eine Lehrerfortbildung in Sachen digitale Bildung gestartet werden.
Stefan Fulst-Blei (SPD) erwartet, die gegenwärtige Krise werde zu gravierenden Folgen im Bildungsfortschritt und in der sozialen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen führen. Seine Fraktion habe bereits im April den Vorschlag gemacht, ein Landesnachhilfeprogramm über mindestens zehn Millionen Euro aufzulegen, so der Mannheimer Abgeordnete, der die Erfahrungen in seiner Heimatstadt zur Nachahmung empfiehlt. Dort erhielten alle Schulen ein Budget, mit dem sie "flexibel zertifizierte Nachhilfeleistungen in ihren eigenen Räumlichkeiten einkaufen können“. Entsprechend zufrieden reagierte die SPD-Fraktion auf die Ankündigung der Kultusministerin.