Stuttgart. In einem waren sich in der von der SPD beantragten Debatte alle einig: Die Schuldenbremse muss ihren Weg in die Landesverfassung finden – und es ist gut, dass Finanzministerin Edith Sitzmann (SPD) in dem Zusammenhang zu einer interfraktionellen Arbeitsgruppe eingeladen hat. Ansonsten wirkten viele Redner jedoch des Themas überdrüssig, das die Sozialdemokraten für Mittwoch auf die Tagesordnung gesetzt hatten: Es ging um die „implizite Verschuldung“, also jenen Begriff, den Sitzmann erfunden hatte, um die Verpflichtung, Kreditmarktschulden tilgen zu müssen, teilweise zu entgehen. Stattdessen ist es seit 2016 auch möglich, Landesstraßen, -brücken und –immobilien zu sanieren und so die „implizite Verschuldung“ zu senken.
„Wie sich die Landesregierung mit kreativer Buchführung von der Schuldenbremse der Landeshaushaltsordnung und der Schuldenbremse des deutschen Grundgesetzes verabschiedet“, war der SPD-Antrag betitelt, der am Mittwoch aufgerufen wurde. Peter Hofelich (SPD) bezeichnete den Begriff der impliziten Verschuldung als pragmatisch und opportunistisch zugleich. Der ehemalige Finanzstaatssekretär warf Grün-Schwarz vor, auf „Fassade statt Substanz“ zu bauen. Es sei richtig, in die Erhaltung des Landesvermögens zu investieren. Dies habe aber unter Grün-Rot in größeren Ausmaß stattgefunden als unter Grün-Schwarz. Inzwischen würden die Abschreibungen wieder die Investitionen übersteigen. Das zehre an der Substanz. Da langfristig mit einem Abflauen der Konjunktur zu rechnen sei, seien öffentliche Investitionen das Gebot der Stunde. Dabei müsse die Regierung „auf die Ebene der Prinzipien bei der Haushaltsführung“ zurückkehren.
Die Debatte erinnere sie an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, erwiderte Thekla Walker (Grüne). Sie sei zwar grundsätzlich auch dafür, sowohl den Investitionsstau aufzulösen als auch Kreditmarktschulden zu tilgen. Doch das Maximum von beidem, wie es die SPD fordere, anzustreben, sei „schlicht unseriöse Haushaltspolitik“. Grün-Schwarz gebe mehr als Grün-Rot für die Sanierung. „Wir haben die Trendwende geschafft“, resümierte die Grünen-Finanzexpertin.
Winfried Mack (CDU) betonte, das Land stehe ebenso wie seine Kommunen „auf einem soliden finanziellen Fundament“. Das Land stehe auf Platz drei, die Kommunen sogar auf Platz eins in der Republik, was niedrige Schulden angeht. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen seien fünf Mal, jene in Rheinland-Pfalz sogar sechs Mal so verschuldet wie die in Baden-Württemberg. Und dies liege auch an der Haushaltspolitik der 90er- und Nuller-Jahre, in denen die Steuern noch nicht so sprudelten – und in denen die CDU an der Regierung war.
Rainer Podeswa (AfD) rief angesichts der „besten Steuereinnahmen aller Zeiten“ dazu auf, Kreditmarktschulden zu tilgen. Die SPD habe Recht, wenn sie im Zusammenhang mit der impliziten Verschuldung von „kreativer Buchführung“ spreche. Podeswa nannte die Taschenspielertricks. Gleichzeitig lobte er Sitzmann für ihre Bereitschaft, auch die AfD zu Gesprächen über die Schuldenbremse einzuladen. „Wer mit uns redet, wird konstruktive Vorschläge bekommen“, sagte er. Mit Unverständnis reagierte Podeswa auf den Ruf der SPD nach einem Investitionsprogramm. Dies passe mit der SPD-Forderung nach einer Haushaltskonsolidierung nicht zusammen.
Für Gerhard Aden (FDP) ist das Thema „ziemlich kalter Kaffee“. Gleichwohl teile er „vollumfänglich“ die Kritik der SPD am Konstrukt der impliziten Verschuldung. Auch Aden lobte Sitzmann für ihre Initiative zur Einbindung der Schuldenbremse in die Landesverfassung. „Das Wort Schuldenbremse ist nicht nur im Grundgesetz verankert worden, sondern ist mittlerweile – so kann man hoffen – im Bewusstsein aller verantwortlichen Politiker“, sagte Aden. 700 Millionen Euro im Jahr, wie derzeit geplant, würden aber nicht reichen, das Landesvermögen zu erhalten. Dazu sei eine Milliarde Euro vonnöten; Aden hofft, dass die angesichts der zu erwartenden guten Zahlen bei der Maisteuerschätzung auch klappt.
Auch Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) erinnerte die SPD daran, dass das Thema bereits am 9. November 2017 auf der Tagesordnung des Landtags stand – und mehrfach im Finanzausschuss besprochen wurde. Dennoch warf auch sie einen Blick zurück. So seien 2017 zehn Prozent der 411 Millionen Euro, die laut Landeshaushaltsordnung zu tilgen waren, an die Kommunen gegangen. Dasselbe gelte für 2018 und 2019; im Doppelhaushalt muss das Land 3,8 Milliarden Euro tilgen. Insofern würden die Kommunen, anders als von Hofelich behauptet, nicht geschwächt.
Die Finanzstaatssekretärin zählte weitere Investitionen des Landes etwa in den Schienennahverkehr und die Universitätsklinika auf. „Das ist eine exzellente Bilanz“, resümierte Splett. Sie gehe von einem Investitionsbedarf von einer Milliarde Euro pro Jahr, um das Landesvermögen zu erhalten. Im Übrigen freue sie sich auf die weiteren Diskussionen in Sachen Schuldenbremse.