Stuttgart. Kritik und Lob an der am Freitag zu Ende gegangenen Reise von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach Kalifornien und Kanada hielten sich am Mittwoch im Landtag die Waage. Die Opposition griff den Regierungschef an. Abgeordnete von Grünen und CDU nahmen dagegen Kretschmann in Schutz.
Der Regierungschef habe es in Übersee versäumt, die Themen Freihandel und Zölle anzusprechen, kritisierte Erik Schweickert (FDP) in der von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Debatte „Exportland Nr. 1 trifft auf Freihandelsfeind – warum ließ der Ministerpräsident die Handelshürden in den USA außen vor?“. Peter Hofelich (SPD) urteilte, die Amerika-Reise sei „mehr Inszenierung als wahrgenommene Gelegenheit“ gewesen. Carola Wolle (AfD) sagte, der Ministerpräsident sei auf seiner „grünen Spritztour“ unangenehmen Themen aus dem Weg gegangen und habe klimapolitische Dinge zelebriert.
Andrea Lindlohr (Grüne) warf der FDP ein „schräges Thema“ für die Aktuelle Debatte vor. Sie sprach von einer „großen Leistung“ der Regierung; Kretschmann habe in Kalifornien und Kanada Partner gesucht und gefunden. Auch Winfried Mack (CDU) lobt die Regierung und die tragenden Parteien: „Wir treiben die Globalisierung voran.“
Für die Landesregierung sagte Katrin Schütz (CDU), das Thema Freihandel sei sehr wohl angesprochen worden. Die Sorge um Handelskonflikte sei mehrfach thematisiert worden. Zwar sei es hauptsächlich um Elektromobilität, Künstliche Intelligenz, Umweltschutz und Klimapolitik, aber dabei habe der faire und freie Freihandel immer eine Rolle gespielt, da dieser für Baden-Württemberg wichtig sei. Deshalb würden Gespräche geführt, wie jüngst in Kalifornien und Kanada, denn: „Wir leben Partnerschaften.“
Für Schweickert war es „einfach zu wenig“, was der Ministerpräsident auf seiner Reise mit einer 100-köpfigen Wirtschaftsdelegation getan habe. Wichtige Themen seien nicht angesprochen worden, was die hiesige Wirtschaft verunsichere. Den Abgeordneten sei suggiert worden, dass Freihandel im Mittelpunkt stehe. Doch Kretschmann sei nicht mit einem klaren Bekenntnis zum Handelsabkommen Ceta nach Kanada gegangen, warf er dem Regierungschef vor. Die Kritik an den USA und dessen Präsidenten Donald Trump, die Kretschmann in Kanada geäußert habe, fand der Liberale unpassend: „Interessen vertritt man nicht, in dem man in einem Drittland über einen anderen spricht“. Schweickert sprach von einer „Fehlervermeidungskultur“ der Landesregierung, die aber nicht die Lösung für die hiesige, exportabhängige Wirtschaft sein könne. Solche Reisen müssten jedoch genutzt werden, um dringende Probleme anzugehen.
Auch Wolle hätte gerne gehört, dass Kretschmann auf der Reise den Handelsstreit thematisiert. Dabei seien gerade für den Maschinenbau und die Autoindustrie angesichts einer Export-Quote von 12 Prozent aus Baden-Württemberg in die USA drohende Milliarden schwere Zölle wichtig. Der Regierungschef habe aber Klimaschutz in den Mittelpunkt gestellt. Deshalb werde Baden-Württemberg 2050 nicht nur klima- sondern auch industrieneutral sein, unkte die AfD-Abgeordnete.
Auch Hofelich hätte von Kretschmann die Aussage erwartet, dass Baden-Württemberg kein Interesse an einem Handelskrieg habe. Handelspolitik habe jedoch keine große Rolle gespielt. „Die Interessen von Baden-Württemberg müssen formuliert werden.“ Als größte Gefahr für die baden-württembergischen Unternehmen sieht der frühere Wirtschafts-Staatssekretär nicht in Exportzölle, sondern die Störung internationaler Liefer- und Wertschöpfungsketten.
Die Grünen seien für „freien und fairen Handel“, erklärte Lindlohr. „Die Reise stand im Zeichen der Partnerschaft und der zentralen Zukunftsthemen, die für unser Land wichtig sind“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen. „In Zeiten protektionistischer Stimmung bei anderen setzen wir auf Kooperation.“
Kretschmanns Reise habe nicht nur „zentrale Zukunftsthemen“ zum Inhalt gehabt, sondern auch einen Kontrapunkt zum Protektionismus der USA gesetzt. Zölle für Autos dürften nicht kommen. Mack sprach sich für Handelsabkommen wie Ceta und TTIP aus: „Wir brauchen keine Deals à la Trump.“ Er forderte eine „Welt mit offenen Grenzen“ und sprach sich dafür aus, auch den Austausch der Geisteswissenschaften zu forcieren; denn der Mensch müsse mit technischen Neuigkeiten Schritt halten.