Altpeter weist Kritik an Mindestlohn zurück

01.10.2015 
Redaktion
 

Stuttgart. Gleich zwei Mal kam er im Landtag zu Ehren – der Landesvorsitzende der Gebäudereinigerinnung, Thomas Conrady. Sowohl Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) als auch Grünen-Wirtschaftsexpertin Andrea Lindlohr wiesen in der Debatte über den Mindestlohn am Donnerstag darauf hin, dass Conrady hinter dem am 1. Januar in Kraft getretenen Bundesgesetz stehe, das den Mindestlohn auf 8,50 Euro festsetzt.

Beantragt worden war die Debatte von der FDP, für die Niko Reith erneut die Bürokratievorgaben von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) aufs Korn nahm. Reinhard Löffler (CDU) schloss sich dieser Kritik an. Seine Parteifreunde im Bundestag stünden zum Mindestlohn, nicht aber zu einem Menschenbild, das den freien Unternehmer durch den betreuten Mittelständler ersetze.

Altpeter verwies darauf, dass selbst Parteigänger von CDU und FDP mehrheitlich für den Mindestlohn seien wie im Übrigen auch die Mehrheit der Deutschen insgesamt, die zu 87 Prozent das vor einem Jahr verabschiedete Gesetz befürworteten. „Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Meilenstein in der Sozialpolitik“, sagte die Ministerin „Er ist getragen von dem Gedanken an die Gerechtigkeit.“ Es sei nur recht und billig, dass Menschen von ihrer Arbeit auch leben könnten.

Das Gesetz habe – anders als von FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke prognostiziert – keine Arbeitsplätze vernichtet, ergänzte ihr Parteifreund Rainer Hinderer. Im Gegenteil: Die Zahl der Arbeitslosen sei in den vergangenen zwölf Monaten im Südwesten um 4000 gefallen, die Zahl der freien Stellen um 10.000 gestiegen. „So viel zu den wirtschaftspolitischen Prognosen der FDP“.

Sowohl Altpeter als auch Hinderer verwiesen darauf, dass lediglich die Zahl der Minijobs zurückgegangen sei. Dies begrüßten die beiden Sozialdemokraten, führten doch Minijobs in vielen Fällen in die Altersarmut.

SPD: Mindestlohngesetz ist kein „Bürokratiemonster“

Auch handele es sich bei dem Mindestlohngesetz anders als von seinen Kritikern behauptet nicht um ein „Bürokratiemonster“, wie Hinderer ergänzte. Mehr als Datum, Beginn und Ende der Arbeitszeit werde nicht dokumentiert. Wem das auf Papier zu umständlich sei, könne auf der Seite des Arbeitsministeriums eine App herunterladen.

2706 Betriebe seien seit Anfang des Jahres in Baden-Württemberg überprüft worden. Lediglich in 55 Fällen wurden laut Hinderer Ordnungswidrigkeiten festgestellt. Die Betriebe würden also nicht, wie die Opposition behaupte, unter Generalverdacht gestellt. „Der Mindestlohn wirkt“, resümierte der SPD-Arbeitsexperte.

Auch Freidemokrat Reith hat mit Praktikern in der Wirtschaft gesprochen. Sein Eindruck ist ein anderer. Schausteller auf dem Cannstatter Wasen etwa sagten, dass sie mit der Arbeitszeitregelung nicht klar kämen. Die von Nahles aufgestellten Dokumentationspflichten würden regionale und branchenspezifische Besonderheiten außer Acht lassen. Auch die Gastronomie bezeichne die Regelungen als praxisfern. Besser seien branchenbezogene Mindestlöhne, wie es sie im Gartenbau und bei den Schornsteinfegern gebe.

Wie schon beim Thema Erbschaftsteuer werde der Mittelstand unter Generalverdacht gestellt. Viele Verbände, die vor der Einführung des Mindestlohns scharf protestiert hatten, hätten resigniert. Und die SPD fühle sich bestätigt.

FDP: „Die Grenzen werden schmerzhaft sein"

Reith kritisierte die Landesregierung, die zahlreiche Fragen der FDP zum Mindestlohn formelhaft beantwortet habe, statt die Arbeitszeitregelung kritisch zu hinterfragen. Die Tatsache, dass sich das Mindestlohngesetz nicht negativ auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt habe, führt Reith auf die gute Konjunktur zurück. „Wenn die Wirtschaft nicht mehr so gut läuft, werden die Grenzen schmerzhaft sein.“

CDU-Wirtschaftexperte Löffler gab zu Beginn seiner Rede ein Bekenntnis zum Mindestlohn ab. Ein Geschäftsmodell, das auf Ausbeutung basiere, lehne er als unchristlich ab. Er habe jedoch Zweifel, ob Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) dies immer und überall ähnlich sehe. Löffler erinnerte an Delegationsreisen nach Myanmar und in den Iran, wo Schmid Arbeitsstätten pries, wo weit weniger als der deutsche Mindestlohn bezahlt werde.

Auch Grüne wie Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon seien da nicht besser. Dieser habe kürzlich städtische Flächen mit Basalt auslegen lassen, der in Kinderarbeit gewonnen wurde. „Das ist das neoliberale Gesicht der grünen Ökopartei“, resümierte Löffler.

Grünen-Expertin Lindlohr, die nach Löffler sprach, begann ihre Rede mit den Worten „zurück zum Thema“. Sie erinnerte daran, dass branchenbezogene Mindestlöhne teilweise unter 8,50 Euro lägen, zum Beispiel im Fleischerhandwerk, wo neuerdings acht Euro bezahlt werden – gemäß einem Stufenplan, der die 8,50 Euro zum Ziel hat. Ohne Mindestlohngesetz wäre es nicht einmal dazu gekommen, sagte Lindlohr. „Es geht in die richtige Richtung“, kommentierte sie.

Dennoch seien auch Korrekturen angebracht – so sollten Menschen, die bei der Weinlese helfen, wie Saisonarbeiter behandelt werden, damit die Weinlese in Baden-Württemberg nicht an einer allzu starren Arbeitszeitregelung scheitere.

Eine Absage erteilte Lindlohr der Idee, den Mindestlohn für Flüchtlinge infrage zu stellen. Dies würde Lohndumping zur Folge haben. „Damit tun Sie der Wirtschaft in diesem Land einen Bärendienst“, sagte Lindlohr in Richtung FDP. Sie bedankte sich bei Unionsfraktionschef Volker Kauder, der sich gegen solche Überlegungen ausgesprochen hatte.


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