STUTTGART. Neben der Zuständigkeit für das Kultusministerium ist als zentrale Aufgabe die Europapolitik von der CDU zu den Grünen gewandert. Der zuständige neue Staatssekretär im Staatsministerium Florian Hassler (Grüne) erläuterte in seinem ersten Europapolitischen Bericht vor dem Landtag, „in welchem Geist wir Europapolitik betreiben, nämlich in Dankbarkeit dafür, dass dieses Europa uns die längste Friedensperiode seit Bestehen des Kontinents beschert hat, dass dieses Europa uns Wohlstand mit dem weltweit größten Binnenmarkt gebracht hat und dieses Europa Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte verteidigt“.
Und Hassler zitierte, um sein Herangehensweise zu unterstreichen, Österreichs grünen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen: „Dass wir Europäerinnen und Europäer sind, ist ein Glück, das wir uns im Nachhinein verdienen müssen.“
Andrea Bogner-Unden (Grüne) betonte die Bedeutung der EU für Baden-Württemberg, gerade angesichts der neuen finanziellen Zusagen. „Next Generation EU“ sei die passende Bezeichnung für das neue Aufbauinstrument mit einem Umfang von 750 Milliarden Euro, der Bundesrepublik stünden rund 23 Milliarden Euro zur Verfügung und Baden-Württemberg 86 Millionen Euro, die zur Bewältigung der sozialen Folgen der Pandemie und zur Unterstützung von Beschäftigungen, der Wirtschaft und der Digitalisierung eingesetzt werden sollten. Auch die Förderprogramme für die neue Förderperiode 2021 bis 2027 seien erfreulich. „Wir Grünen treten in Brüssel entschieden dafür ein, dass die Auszahlung von EU-Fördermitteln an die Umsetzung der europäischen Werte geknüpft wird, um Polen und Ungarn EU-Gelder wegen ihrer Rechtsstaatsverstöße kürzen oder streichen zu können“, so Bogner-Unden. Denn: „Die Europäische Union ist viel mehr als eine politische Gemeinschaft und eine Wirtschaftsgemeinschaft. Sie muss auch eine Wertegemeinschaft sein, die die Menschenrechte verteidigt und die Regenbogenfarben zulässt.“
Für die CDU betonte Sabine Hartmann-Müller, dass die Europäische Union ihre Mitgliedsstaaten in historischem Ausmaß beim Kampf gegen den Klimawandel und die Coronapandemie unterstütze. Das zeige einmal mehr, „dass wir die großen Herausforderungen unserer Zukunft und unserer Zeit nur gemeinsam bewältigen können“. Als exportorientierter Wirtschaftsstandort werde sich Baden-Württemberg nur dann von den Pandemiefolgen erholen können, wenn Europa als Ganzes gestärkt aus der Krise kommt. Denn: „Fast die Hälfte unserer Exporte gehen in EU-Mitgliedsstaaten.“
Alena Trauschel bekannte sich für die FDP zur Europa, die Landesregierung müsse aber gerade beim Thema des EU-Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ mehr Einfluss auf europäischer Ebene ausüben. Denn die Umgehung der vertraglich vorgesehenen Schuldenfreiheit trage das akute Risiko, dass Schulden der Einzelstaaten auf lange Sicht vergemeinschaftet werden. „Was als einmaliger Vorgang legitim sein mag, kann sich schnell zu einem leistungsfeindlichen Schreckgespenst entwickeln“,, so die neue Ettlinger Abgerodnete. Wirtschaftlich starke Regionen wie Baden-Württemberg würden in einem solchen System bestraft. Neue Steuern und sozialisierte Schulden gefährden die europäische Integration. Wer das mittrage versündige sich „an meiner Generation und an den nachfolgenden“. Die FDP kritisierte diese Politik, „weil wir Europa lieben und es besser machen wollen“.
Die SPD-Fraktion lobte die Initiative der Landesregierung zum Zukunftsdialog für Städtepartnerschaften und Kommunalpartnerschaften und die Beteiligung von Praktikern. „Es freut mich“, so Sebastian Cuny, „dass sich mit Erwin Hund, vom Partnerschaftsverein Edingen-Neckarhausen, ein Experte und Motor der deutsch-französischen Freundschaft aus meinem Wahlkreis, aktiv in diesen Prozess einbringt.“ Den mit den Ideen solcher Praktikerinnen und Praktiker sei den Städtepartnerschaften und den Schüleraustauschprogrammen und damit Euro neuer Schwung zu verliehen.
Zu einer direkten Auseinandersetzung kam es, weil Emil Sänze (AfD), der Landesregierung unterstellt, zu verheimlichen, wie viel Geld aus Baden-Württemberg an die EU fließt: „Nach Berechnungen unserer Fraktion betragen die Nettomittelabflüsse aus Baden-Württemberg an die EU drei bis sieben Milliarden Euro jährlich, von denen die Landesregierung angeblich nicht weiß, dass es sie gibt.“. Hassler widersprach: "Wir können das nicht genau klassifizieren, weil von Baden-Württemberg gar keine Mittel in den Haushalt der Europäischen Union fließen, und wenn Sie schon mit solchen Zahlen um sich schmeißen, dann sollten Sie auch andere Zahlen nicht ganz unterschlagen.“ Deutschland habe allein daraus, dass es den Binnenmarkt gibt, einen Wohlstandsgewinn von 86 Millionen Euro pro Jahr, und das seien durchschnittlich tausend Euro Einkommensgewinn zusätzlich für jeden Bürger pro Jahr.“