Stuttgart. In einer von der SPD beantragten aktuellen Debatte hat Innenminister Thomas Strobl (CDU) die Mehrkosten zur Weiterentwicklung der von der grün-roten Landesregierung auf den Weg gebrachten Polizeireform verteidigt. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sprach dagegen von einem Trauerspiel: „Wir erheben den Vorwurf, dass die Öffentlichkeit bewusst hinters Licht geführt wurde.“ Der Innenminister sei überfordert, sein Handeln „intransparent und unseriös“.
Alle drei Oppositionsfraktionen kritisierten Strobl scharf. Es sei überhaupt fraglich, so AfD-Innenexperte Lars Patrick Berg, ob er überhaupt ausreichend Einfluss in seinem Haus habe. Die Kostenplanung der Veränderungen sei „katastrophal und zusammengeschustert“. Die Polizei dürfe nicht „Spielball der Politik“ sein, sondern brauche Planungssicherheit und Wertschätzung.
Der frühere Justizminister Ulrich Goll (FDP) sprach von der „landespolitisch verfahrensten Kiste", die er bisher erlebt habe. Dazu passe auch, dass die SPD das Thema auf den Tisch bringe: „Ich hätte gedacht, Sie nehmen das Wort nie mehr in den Mund.“ Denn in Wahrheit sei die Reform nie seriös berechnet worden. „Wir haben nichts bekommen für sehr viel Geld.“ Jedes Kind besitze Internet, „aber die Beamten draußen nicht“. Es gebe Beamte, die mit dem Dienstauto ins Zentrum ihrer Stadt fahren, weil es dort kostenloses W-Lan gebe.
Goll hatte weitere Einzelheiten parat, um die Gesamtreform zu kritisieren: „Die polizeiinternen Abläufe wurden nicht einfacher, sondern aufwendiger.“ Die zentrale Unfallaufnahme funktioniere nicht und belastet den Streifendienst, dem Kriminaldauerdienst fehle das Personal. Solche Defizite gehe der Innenminister „bestenfalls halbherzig an“. Deshalb sei Gün-Schwarz „mitverantwortlich für die schlechte Situation bei der Polizei.“
Stoch sprach von 200 Millionen, die verschwendet würden „ohne ein Mehr an Sicherheit“. Wichtige Punkte seien vom Innenminister in der Kalkulation nicht berücksichtigt worden. Die Entscheidung für die Einrichtung von 13 Präsidien landesweit sei schon deshalb heute obsolet, weil sie aus finanziellen Gründen der Lösung mit 14 Präsidien vorgezogen worden sei. Die Berechnungen seien aber eine „schöngerechnete Mogelpackung“ gewesen. Konkret verlangte der frühere Kultusminister eine Neubewertung der Lösung. Und wenn „der Innenminister nicht in der Lage ist, diese Diskussion zu führen und eine Entscheidung herbeizuführen, dann muss der Ministerpräsident erneut ein Machtwort sprechen“. Die SPD verlange jedenfalls Klarheit darüber, „woher die 184 zusätzlichen Polizeistellen kommen sollen, die für die neue Polizeistruktur erforderlich sind. Neue Präsidien darf es nicht zu Lasten der Reviere geben“.
Auch Petra Häffner(Grüne) wurde persönlich: Strobl möge sich doch vorstellen, er habe für seine Großfamilie ein Haus gebaut: „Nach dem Einzug stellen Sie fest, dass trotz aller Planungen im Vorfeld das Zusammenleben nicht klappt ,weil ihre beiden jüngsten Kinder sich partout nicht das Zimmer teilen wollen, und die Großmutter, um ins Bad zu gelangen, ins nächste Stockwerk muss.“ Dann gebe es zwei Möglichkeiten: „Sie nehmen lästige Reibungsverluste und ständige Unzufriedenheit in Kauf oder Sie sinnen auf Abhilfe.“ Genau letzteres sei mit der Evaluation geschehen. Es sei versprochen worden, die Reform auf den Prüfstand zu stellen. „Um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, braucht unsere Polizei die besten Arbeitsbedingungen“, sagte Häffner. Tatsächlich habe die Evaluation „einige Schwachstellen“ aufgezeigt und darunter als wichtigste Handlungsempfehlung Änderungen am Zuschnitt einiger Präsidien.
Der Innenminister selber kündigte an, noch vor der Sommerpause seinen Vorschlag zum Aufbau von zwei neuen Präsidien in Pforzheim und Ravensburg in den Ministerrat einzubringen. „Aber nicht nur das, ich werde auch eine ganze Reihe von Maßnahmen vorschlagen, die die innere Aufbauorganisation und damit den Arbeitsalltag unserer Polizistinnen und Polizisten verbessern", erklärte Strobl weiter. Und für alle Verbesserungen müsse Geld in die Hand genommen werden. Auch er sei nicht erfreut darüber, dass die Kosten nun im Vergleich zu der ersten Grobschätzung im vergangenen Jahr gestiegen sind, habe aber immer die Ansicht vertreten, dass es Optimierungen nicht zum Nulltarif geben könne. Und anstatt lauthals „Skandal“ und „Täuschung“ zu schreien, sollte man sich die Steigerungen erst einmal genau anschauen: „Allein fast 19 Millionen Euro fallen für einen Risikozuschlag bei den Baumaßnahmen an – etwas, was Sie, liebe Kollegen von der SPD, damals nicht gemacht haben und was unseren Haushalt heute noch belastet.“
Für die CDU-Fraktion stärkte ihm Thomas Blenke, der Innenexperte, den Rücken und wandte sich ebenfalls an Stoch, weil dem „die Sachkunde“ fehle. Dank „behutsamer Korrekturen“ der bisherigen grün-roten Reform, dort wo sie notwendig seien, werde „maßgeschneidert“ für die Innere Sicherheit im Land gesorgt und die Polizei bestmöglich und bürgernah“ aufgestellt.