Stuttgart. Wirtschaftsminister Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hat sich offen gegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gestellt. Auf einer Veranstaltung in ihrem Wahlkreis sagte sie, es werde „höchste Zeit“, dass er „in den wohlverdienten Ruhestand geht“.
Der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch nutzte die aktuelle Landtagsdebatte über die Corona-Wirtschaftshilfen, um diese Äußerung als „sinnbildlich für den Zustand dieser Landesregierung" zu bezeichnen. Ein derartiger Umgang auf der Regierungsbank sei nicht geeignet, „Vertrauen in die eigenen Entscheidungen in dieser schwierigen Situation zu vermitteln“. Weirauch sprach von „Irrungen und Wirrungen“, kritisierte, dass die Ministerin viel angekündigt, aber nicht geliefert habe, und nannte das Krisenmanagement insgesamt „unkoordiniert, wenig verlässlich, zuweilen sogar chaotisch".
Beantragt hatte die Debatte zum „grün-schwarzen Streit“ die FDP-Fraktion. Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Erik Schweickert wollte unter anderem wissen, „warum 66 Tage nach der Ankündigung immer noch kein Euro bei den belasteten Branchen angekommen ist“. Und er verlangte, die parteipolitischen Spielchen einzustellen. Auch Carola Wolle (AfD) sprach von einem „grün-schwarzen Scharmützel“. Die Koalition sei auf die Pandemie nicht vorbereitet, habe lange verharmlost, dann panisch und kopflos reagiert und den umfassenden Lock-down von Wirtschaft und Gesellschaft herbeigeführt. Niemand in der Landesregierung habe sich darüber Gedanken gemacht, welche Auswirkungen der Lock-down habe, denn der sei „eine gesamtwirtschaftliche Katastrophe“ Diskussionen seien aber „von oben tabuisiert“.
Hoffmeister-Kraut sprach die AfD-Abgeordnete direkt an, weil sie klarmachen wolle, dass der Gesundheitsschutz oberste Priorität habe. Eine Blaupause für die aktuelle Entwicklung gebe es nicht. Baden-Württemberg sei in besonderer Weise betroffen, in den letzten 66 Tagen sei aber alles unternommen worden, um der Wirtschaft zu helfen. Das von der AfD gezeichnete Bild wolle sie „mit Fakten korrigieren“. Die Landesregierung handele schnell und zielgerichtet. Das erste Soforthilfe-Programm habe bis Ende Mai gegolten. Bereits am 19. Mai sei das zweite beschlossen worden und werde jetzt in 34 Tagen umgesetzt.
Ab nächster Woche könnten Gelder beantragt werden. Ebenfalls seit dem 19. Mai befinde sich das Land auch in intensiven Gesprächen mit dem Bund, um Landes- mit Bundeshilfen zu "kumulieren“. Die Gesprche seien noch nicht abgeschlossen, dennoch liefen die Landeshilfsprogramme, etwa für Gastronomie und Tourismus, ebenfalls in der nächsten Woche an. Auch dann, wenn es im Herbst an der einen oder anderen Stelle brennen sollte, "sind wir in der Lage, an der Seite unserer Unternehmen zu stellen“.
Auf die Kritik am Zustand der Landesregierung ging die CDU-Ministerin nur indirekt ein: „Baden-Württemberg ist die Benchmark bundesweit.“ Sabine Wölfle (SPD) hielt danach Hoffmeister-Kraut vor, dass zu viel zu früh angekündigt worden sei, jetzt aber viele Unternehmen auf die Gelder warten müssten. „Vier Wochen sind wirklich keine lange Zeit, um solche Programme auf den Weg zu bringen“, konterte die Ministerin, außerdem werde die Hilfe auch rückwirkend ausbezahlt.
Die Vertreter der Regierungsfraktionen sprangen Hoffmeister-Kraut zur Seite. „Wir haben schnell gehandelt“, so Andrea Lindlohr (Grüne), Baden-Württemberg habe als eines der ersten Länder ein Soforthilfeprogramm aufgelegt. Damit seien gut 240 000 Unternehmen und Solo-Selbstständige mit über 2,2 Milliarden Euro unterstützt und so eine breite Insolvenzwelle verhindert worden. Winfried Mack (CDU) hob die Innovationskraft des Landes hervor. Er wolle die Debatte „in einem Gesamtzusammenhang stellen“. Es gebe eine Überbrückungshilfe bis Ende August, als weiterer Schritt komme ein Konjunkturprogramm dazu, und der Bund habe jetzt auch ein Konjunkturprogramm ausgelegt, das sei „lehrbuchmäßig“ gewesen.