Stuttgart. Bei den Haushaltberatungen im Landtag am Freitag hatten sich die Reihen nach der turbulenten und von der AfD mehrmals unterbrochenen Debatte über den Haushalt des Kultusministeriums merklich gelichtet, als es um das Finanzministerium und dessen Ansätze gab. Die Vertreter der Koalition lobten die Entscheidungen und Ansätze, während die Opposition heftige Kritik an einer Finanzpolitik übte, die zu wenig zukunftsorientiert sei und die künftigen Generationen belaste.
Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) wies auf das Mammutprogramm der vergangenen Wochen hin, in denen 140 Änderungsanträge behandelt wurden. Sie kritisierte, dass die SPD 2,4 Milliarden Euro Mehrausgaben beantragt habe und die FDP eine Summe fast in gleicher Höhe, aber nur einige 100 Millionen Euro Kürzungsvorschläge vorgelegt habe. Bei der AfD hätten sich sogar 4,5 Milliarden Euro Mehrausgaben ergeben.
Splett betonte, dass im Zuge der Grundsteuerreform 5,6 Millionen Einheiten neu bewertet werden müssten. Außerdem lobte sie die Sanierungsoffensive für landeseigene Gebäude. Die CO2-Emission konnte seit 1990 um 50 Prozent gesenkt werden. Über 100.000 Quadratmeter Photovoltaik sind installiert worden. Über 160 Millionen Euro im Doppelhaushalt für energetische Sanierung bezeichnete sie als „Rekordniveau“. Als wichtig bezeichnete sie den Erwerb von Moorflächen und deren Renaturierung als bedeutender Kohlenstoffspeicher. Dafür gibt es eine Million Euro.
Für die Grünen wies Thekla Walker darauf hin, dass erhebliche Mehreinnahmen der Landesregierung die Möglichkeit eröffnet hätten, „unsere Schwerpunkte deutlich zu verstärken“. Als Beleg dafür nannte sie Investitionen in Zukunftsvorsorge, Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie hob die Verstärkung der Rücklagen um weitere 800 Millionen Euro als notwendige Risikovorbeugung hervor. Es könne Mindereinnahmen, Extremwettersituationen, Mehrausgaben im Flüchtlingsbereich sowie höhere Investitionen im Bereich künstliche Intelligenz, neue Antriebe und Forschung geben, so Walker.
Als wesentlichen Punkt nannte Walker die deutliche Stärkung der Steuerverwaltung im Rahmen der über 1400 Anhebungen von Gehältern im Doppelhaushalt. Ebenso verteidigte sie die Schaffung neuer Stellen in Polizei, Justiz und Steuerverwaltung. „Für neue Aufgaben sind neue Stellen nötig“, fügte sie hinzu.
Auch die 150 von insgesamt geplanten 500 neuen Stellen für die Bewältigung der Grundsteuerreform gehören für die Grünen-Politikern dazu. Anträge der Opposition, wie die von der FDP gewünschte Senkung der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozent oder die „strukturellen Mehrausgaben der SPD“ wie die kostenfreie Kita oder das 365-Euro-Jahresticket, würden den Landeshaushalt mit dreistelligen Millionenbeträgen belasten.
Sie lobte, dass der kommunale Investitionsfonds erstmals auf über eine Milliarde Euro angewachsen sei. Die gefundene Einigung mit den Kommunen bezeichnete sie als fair. Insgesamt werde im Doppelhaushalt für die kommenden Jahre gut vorgesorgt, so Walker.
Dieser Einschätzung stimmte auch Tobias Wald vom Koalitionspartner CDU grundsätzlich zu. Auch er begrüßte die 1400 Stellenanhebungen. Er kündigte außerdem eine aufkommensneutrale Grundsteuerreform an. Die „Politik mit Maß und Mitte“ werde klar abgebildet, so Wald.
Die massiven Investitionen in die landeseigene Infrastruktur und die Risikovorsorge sind für ihn wichtige Beiträge für die Zukunft der nächsten Generation. Für die Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben von Digitalisierung und Grundsteuerreform lege der Haushalt den Grundstein, so der CDU-Politiker.
Demgegenüber kritisierte Peter Hofelich (SPD) die Finanzpolitik der Landesregierung als zu passiv und verschlossen. Es komme nicht zu einem wirklichen Austausch mit dem Parlament. Außerdem kritisierte er „den inflationären Einfluss des Staatsministeriums auf die Finanzpolitik“. Er plädierte dafür, von den Mehreinnahmen Geld den Menschen zurückzugeben, etwa durch gebührenfreie Kitas. Hofelich warf der Landesregierung vor, Klientelbedürfnisse zu bedienen.
Der SPD-Politiker forderte, mehr in Mobilität, Wohnen, Klima und Technologie zu investieren. Er begrüßte die Stellenanhebungen, bedauerte jedoch, dass von der SPD vor vier Jahren angestoßene Projekte wie die Sanierung von Straßen und Brücken nicht entschieden genug fortgeführt würden. Die Landesregierung forderte er auf, stärker auf das Problem einzugehen, dass Deutschland sozial und ökonomisch auseinanderdrifte.
Rainer Podeswa von der AfD betonte, mit Pensionsverpflichtungen für 3.000 zusätzliche Stellen werde der nächsten Generation der Handlungsspielraum genommen. 500 Stellen für die Grundsteuer und ein zweistelliger Millionenbetrag für die Digitalisierung in diesem Bereich hält er für unzumutbar. 50 Millionen Euro Steuergeld dafür seien ein „Schildbürgerstreich“. Er kritisierte, dass der AfD-Antrag zur gezielten Förderung des Wohnens für Familien abgelehnt worden sei und stattdessen „korrupte Regime in Afrika unterstützt werden“.
Stephen Brauer von der FDP betonte, dass die Baukonjunktur zusätzlich 1,3 Milliarden Euro eingebracht habe. Deshalb erneuerte er die Forderung, die Grundsteuer auf 3,5 Prozent zu senken. „Dies würde Häuslebauer entlasten“, betonte er. Die Regierung solle das „Geld bei denen lassen, denen es gehört“. Die vorgesehenen Zinsen von 1,3 Milliarden 2020 und 1,7 Milliarden 2021 hält er für zu hoch.
Seiner Ansicht nach tilgt die Landesregierung bei einem Schuldenstand von 45,1 Milliarden Euro mit 132 Millionen Euro nicht genug Schulden. Dies kritisierte er als „verantwortungslose grüne Haushaltspolitik“, die von der CDU mitgetragen werde. Die 500 zusätzlichen Stellen für die Grundsteuer hält er für seltsam. Die „Stellenorgie wird uns das Genick brechen“, so Brauer. Den Haushalt kritisierte er als rückwärtsgewandt und wachstumsfeindlich.
In einem Abstimmungsmarathon am Ende der Beratungen wurden die Änderungsanträge der Opposition mehrheitlich abgelehnt. Die Änderungswünsche der Regierung lehnte dagegen die Opposition ab. Insgesamt 50 Seiten umfassten die Änderungswünsche. Der Landtag stimmte allen Punkte zu. Abschluss der Haushaltsberatungen ist am 18. Dezember.