Stuttgart. Es ist ein Novum im Stuttgarter Landtag: Ein Gesetz, das erst am 1. Januar 2013 in Kraft treten sollte, wurde heute im Stuttgarter Landtag von der neuen Landesregierung wieder kassiert. In zweiter Lesung stimmten die Abgeordneten der Grünen- und SPD-Fraktion sowie der CDU-Abgeordnete Günther-Martin Pauly für das Gesetz zur Rückabwicklung des Universitätsmedizingesetzes.
Das ursprüngliche Gesetz war erst im Februar von der früheren CDU/FDP-Landesregierung beschlossen worden - in „Rambo-Mentalität“, wie Grüne und SPD kritisierten. Nun wird der in 13 Monaten geplante Zusammenschluss der vier Universitätsklinika und deren medizinischen Fakultäten zu einer einheitlichen Körperschaft für Universitätsmedizin (KUM) nicht verwirklicht.
Nach Ansicht von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) habe das Gesetz vom 7. Februar ein falsches Zeichen für die Hochschulmedizin in Baden-Württemberg gesetzt. Zu Recht sei dieses Integrationsmodell, auch wegen der Einrichtung einer Gewährträgerversammlung, von den Betroffenen kritisiert worden. Grün-Rot löse damit ein Wahlkampfversprechen ein. Das neue Gesetz sei ein wichtiges Ereignis für die Universitätsmedizin im Südwesten. „Wir befreien die Universitätskliniken und die medizinischen Fakultäten von überzogener Kontrolle“, erklärte die Ministerin. Die Gewährträgerversammlung sei kein geeignetes Instrument der parlamentarischen Kontrolle.
In der Anhörung hätte es von Institutionen, Verbänden und Einrichtungen bloß Zustimmung gegeben. Bauer wies darauf hin, dass die Kliniken und Universitäten im bisherigen gesetzlichen Rahmen seit 1998 profitabel gearbeitet und schwarze Zahlen geschrieben hätten. „Sie waren wirtschaftlich sehr erfolgreich und haben trotz wachsender Konkurrenz hervorragende Zahlen geschrieben“, sagte die Ministerin.
Die bisherigen Gesetzesmacher CDU und FDP lehnten die Rückabwicklung ab. Wer Träger der Klinika sei, müsse auch die Entscheidungskompetenz haben, lautet der allgemeine Tenor bei der Opposition. Karl-Wilhelm Röhm (CDU) sagte, mit der bloßen Abschaffung der Gewährträgerversammlung werde die Lage nicht besser. Er wies auf das Mißverhältnis hin, dass das Land zwar die Uni-Kliniken und Fakultäten finanziere, aber keinen Einfluß habe. „Landesgeld ja, Landeshaftung ja, Mitspracherecht des Landes nein - jegliche Kontrolle ist ausgeschlossen“, bemängelte Röhm.
„Wer Träger ist, muss auch seiner Verantwortung gerecht werden“, forderte Timm Kern (FDP). Der Gesetzentwurf sei jedoch ein „Dokument der Verantwortungslosigkeit“. Grün-Rot kippe das Gesetz der Vorgänger-Regierung ohne eine Alternative vorzuschlagen. Mit dem Nein zur Gewährträgerversammlung verhindere die Landesregierung zugleich auch die Integration von Uniklinikum und medizinischer Fakultät. Außerdem beraube man die Unikliniken des Instruments der Beleihund, das eine Übertragung von Aufgaben an Private ermöglicht hätte.
Für Rita Haller-Haid (SPD) bringt die Rückabwicklung mehr eigenständiges Handeln der vier Universitätskliniken und verhindert unsinnige Bürokratisierung. Die Selbstständigkeit bleibe erhalten und damit auch die Effizienz. Auch Petra Häffner (Grüne) sieht in der Rückkehr zu den alten Bestimmungen eine Qualitätssteigerung für medizinische Forschung, Lehre und die Versorgung von Patienten. Sie wies auch auf bessere Arbeitsbedingungen des Personals hin.
In der Anhörung hatte der Rechnungshof ausgeführt, eine starke Kontrolle durch das Land solle auch durch eine Stärkung der Rechte der parlamentarisch verantwortlichen Ministerin herbeigeführt werden.