Landtag lehnt FDP-Gesetzentwurf zur beruflichen Realschule ab

05.06.2019 
Von: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
 
Redaktion
 

STUTTGART. Mit den Stimmen von Grünen, CDU, SPD und AfD hat der Landtag den Gesetzentwurf der FDP zur Einführung einer Beruflichen Realschule abgelehnt. Die Liberalen wollten „eine enge Verzahnung der bisherigen Haupt- und Werkrealschulen mit den Beruflichen Schulen erreichen und den Schülern zusätzliche Chancen auf einen zügigen Einstieg in Ausbildung und Beruf eröffnen“.

Timm Kern, FDP-Bildungsexperte, kritisierte die Haltung der anderen Fraktionen scharf. Der frühere Studienrat nannte das Abstimmungsverhalten „dramatisch für diejenigen, denen die Haupt- und Werkrealschulen am Herzen liegen“.

Es entstehe der „Eindruck des Etikettenschwindels“, wies Kultusministerin Susanne Eisenman (CDU) diese Kritik zurück, „und ich halte den Gesetzentwurf für nur bedingt durchdacht“. Denn: „Würde sich die FDP wirklich zur Haupt- und Werkrealschule bekennen wollen, müsste sie die Schulart nicht umbenennen.“ Außerdem sei es vorrangig, Schulstandorte quer durchs Land zu erhalten.

An den Haupt- und Werkrealschulen gebe es „eine leichte Trendwende in der Wertschätzung ", zudem stiegen die Anmeldezahlen leicht an, so die Ministerin. Eisenmann kündigte an, künftig würden für die Standorterhaltung nicht die Zahlen in der fünften Klasse entscheidend, sondern diejenigen in der Klasse sieben oder acht, wenn Jugendliche aus anderen Schulformen kommen: So funktioniere Zukunftssicherung.

CDU stellt die praktische Umsetzung in Frage

Kern warf Eisenmann und der CDU-Fraktion vor, „nicht den Mut aufzubringen, dem grünen Koalitionspartner die Stirn zu bieten und unseren Gesetzentwurf wenigstens als Grundlage für einen Diskussionsprozess über die Zukunftssicherung der Haupt-/Werkrealschulen zu nehmen“. Man habe sich „von der CDU mehr Unterstützung für unser Ziel erwartet, für jedes Kind in unserem Land die passende Schule zu finden und nicht die ‚Eine-Schule-für-alle‘ zu schaffen“.

Seine Fraktion stelle die praktische Umsetzung in Frage, erwiderte Raimund Haser (CDU). Das Gute an dem Gesetzentwurf der Liberalen liege darin, dass die „gute Botschaft“ ins Land gesendet werde, Haupt- und Werkrealschulen seien ein wichtiger Pfeiler des Bildungssystems. Anderes gehe aber an der Realität vorbei, vorallem weil die Schulart konkret bereits viele Kooperationen mit Wirtschaft und Handwerk eingegangen sei. „Wir werden noch oft über das Thema Berufsorientierung reden“, so der Biberacher Abgeordnete, und die Landesregierung habe auch „große Schritte“ gemacht. Der FDP-Gesetzentwurf gehöre nicht dazu.

Grüne: FDP will Axt an bestehende Konzepte legen

„Es gab in der Vergangenheit schon verschiedene Versuche, die Schulform zu stärken“, erinnerte Sandra Boser (Grüne). Auch deshalb gebe es heute stabile Schülerzahlen. Jetzt wolle die FDP aber die Axt an die bisherigen Konzepte legen und an vielen Stellen falsche Signale aussenden. Selbst die Wirtschaftsverbände hätten die Ideen als nicht umsetzbar abgelehnt, weil gar nicht klar sei, wie die Schüler an dem vorgeschlagenen Tag pro Woche die beruflichen Schulen besuchen könnten. Die IHK habe zudem kritisiert, dass das Angebot gar nicht für alle Jugendliche bereitgestellt werden könne. Boser kritisierte auch, dass die Verantwortlichen vor Ort mit dem Thema  Schülerbeförderung alleingelassen würden.

 

Gerhard Kleinböck (SPD) sah sich durch die Aussage Kerns „natürlich provoziert“. Denn die FDP sei nicht die Einzige „hier im Haus, die sich darum kümmern, dass jedes Kind nach seinen Leistungen und Möglichkeiten berücksichtigt wird“. Vielmehr stehe in einem „ideologischen Zwang gegen die Gemeinschaftsschule“ von dem sie sich befreien müsse, „denn dann würden Sie sehen, dass wir mit der Gemeinschaftsschule genau diese Schulart haben, in der jedes Kind individuell gefördert wird und wo eben auch der Versuch unternommen wird, kein Kind zurückzulassen“. 

Für die AfD stellte sich Rainer Balzer grundsätzlich an die Seite der FDP, weil Berufsorientierung wichtig sei. Von dem Gesetzwurf sei seine Fraktion aber nicht überzeugt. Eine Umsetzung würde zu einer weiteren Zersplitterung und einer weiteren Veränderung der Strukturen führen, es müsse aber an Inhalten und am „Leistungsgedanken“ gearbeitet werden“. Die Probleme entstünden nicht durch fehlende Kooperationen mit der Wirtschaft, sondern durch eine fehlende Leistungsorientierung.


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