Stuttgart. Wahlkampfauftritten türkischer Minister in Deutschland stehen alle Fraktionen im Landtag kritisch gegenüber. Über den Umgang damit und die Frage eines Verbot, gingen die Positionen in der aktuellen von der CDU beantragten Debatte an diesem Mittwoch allerdings auseinander.
„Gaggenau hat Weltpolitik gemacht“ zitierte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart eine Überschrift der Süddeutschen Zeitung. Und er ergänzte: Tatsächlich habe Gaggenau (Kreis Rastatt) nach Recht und Gesetz eine Verwaltungsentscheidung getroffen. Dabei sei es nicht um eine politische Entscheidung gegangen, sondern vielmehr um die Tatsache, dass der Veranstalter falsche Angaben gemacht habe.
Die Stadt hatte vergangene Woche eine geplante Wahlkampfveranstaltung mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdag abgesagt. Bozdag wollte bei den in Deutschland lebenden Türken um Zustimmung zu einem Präsidialsystem beim bevorstehenden Referendum in der Türkei werben. Die Veranstaltung war wegen Sicherheitsbedenken verboten worden.
„Wer meint, die Behörden täuschen zu können, muss dann auch mit einem Verbot leben“, so Reinhart. Das gehöre zu den Spielregeln, die für alle gelten. „Wir verurteilen jeden Versuch, unserer Behörden unter Druck zu setzen“, sagte er und wies darauf hin, dass es für Politiker anderer Staaten keinen Rechtsanspruch gäbe, in Deutschland Wahlwerbung zu machen. „Aber unsere Demokratie wird das aushalten“, so Reinhart. Aber wenn die türkische Regierung ihren Wahlkampf nach Deutschland trage, müsse sie sich auch eine kritische Diskussion gefallen lassen. „Wer die Abwicklung der Demokratie betreibt und bejubelt, steht nicht auf der Basis unserer Grundwerte“, so der Politiker.
Die Türkei schade sich vor allem selbst, sagte Reinhart mit Blick auf die Reaktionen türkischer Politiker auf die Absage der Veranstaltung. Er verwies unter anderem auf die Bedeutung des Tourismus' in der Türkei und der deutsch-türkischen Handelsbeziehungen. „Die Konflikte, die derzeit vom Zaun gebrochen werden, bringen vor allem der Türkei Nachteile.“ So sei beispielsweise der Tourismus deutlich eingebrochen.
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz (Grüne) hinterfragte das System in der Türkei, er sprach von Ausreiseverbot für Wissenschaftler, von eingeschränkter Versammlungsfreiheit und willkürlichen Festnahmen. Er forderte die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel und machte sich für eine gemeinsame Türkeistrategie stark. Er sagte jedoch auch, dass man nicht alles, verbieten könne was einem nicht gefalle, verbieten. Auch ihm gefielen viele Ansichten der türkischen Regierung nicht. Aber in einem Rechtsstaat dürfe jeder seine Meinung äußern.
Allen sei unwohl, wenn diejenigen, die in ihrem Land die Meinungsfreiheit abschafften, sich in Deutschland auf Presse- und Meinungsfreiheit beriefen, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Er riet jedoch dazu, dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht „auf den Leim“ zu gehen. „Ich glaube, wir sind gut beraten, den Dialog mit der türkischen Regierung und den türkischen Mitbürgern in Deutschland nicht abreißen zu lassen“, forderte Stoch.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke machte klar, dass Meinungsfreiheit auch Grenzen habe. Wenn türkische Politiker in Deutschland auftreten wollten, hätten sie die Rechtsordnung zu akzeptieren. Das bedeute auch, dass sie nicht das Recht hätten, in Deutschland dafür zu werben, dass demokratische Verfassungsstaaten in Diktaturen umgewandelt würden. Er fordert die Bundesregierung auf, die Wahlkampfauftritte zu untersagen.
Auch Jörg Meuthen, Fraktionschef der AfD, vertrat die Ansicht, dass in Deutschland kein türkischer Wahlkampf stattfinden dürfe. „Deutschland muss wehrhaft sein, auch gegen Erdogan“, sagte er. Außerdem sprach er sich gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft aus.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, dass in Deutschland die gleichen Spielregeln für alle gelten, ohne Ansehen von Person oder Herkunft. Zu einem Rechtsstaat gehöre auch, dass Entscheidungen vor Gerichten überprüfbar seien. Er würde sich dies auch für Yücel und andere in der Türkei inhaftierte Journalisten wünschen.
Strobl wies den Vorwurf zurück, Bund und Land ließen die Kommunen alleine. Gaggenau habe sich intensiv mit dem Landesinnenministerium beraten, bevor sie in der vergangenen Woche einen Auftritt des türkischen Justizministers Bozdag wegen Sicherheitsbedenken untersagte. Gaggenau habe besonnen und richtig gehandelt, sagte Strobl. Er bekräftigte, der Nazi-Vergleich der Türkei sei inakzeptabel und infam. Der türkische Präsident Erdogan hatte am Wochenende von Nazi-Methoden gesprochen, nachdem nach Gaggenau weitere deutsche Kommunen Wahlkampfauftritte türkischer Minister aus Sicherheitsgründen abgesagt hatten.